Das Filmfestival "Transition" startet heute, Donnerstag - aufgrund des Ergebnisses der Nationalratswahl kämpft es mehr als sonst mit Finanznot.
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Wien. Ihre Kleider hat Maria Toorpakai verbrannt, denn sie will Sport machen. In der von der Taliban kontrollierten Region Waziristian ist das nur Männern vorenthalten. Frauen und Sport, das sei nicht islamisch. Daher gibt Maria sich als Junge aus. Als aufsteigender Squash-Star wird ihre wahre Identität bekannt. Todesdrohungen sind die Folge. Mit dem Dokumentarfilm "Girl Unbound", der die Geschichte von Toorpakai erzählt, startet das Filmfestival "Transition" am Donnerstag im Wiener Schikaneder. Es ist ein Filmfestival, das Minderheiten doppelt vor dem Vorhang bringen will, Anderssein mit Anderssein kreuzt: Queere Identitäten treffen auf Themen wie Migration oder Religion.
Trotz finanzieller Schwierigkeiten als Folge der Nationalratswahl nimmt sich das Festival auch heuer wieder den Raum und wird es unter dem Motto "Claim your space" auch in den kommenden Jahren machen. Denn es kämpft nach wie vor um Sichtbarkeit in Wien.
Vielfalt von queeren Personen im Fokus
Begonnen hat das Filmfestival vor sechs Jahren als dreitägige Filmveranstaltung. Das Ziel: Die Geschichten von queeren Personen - seien es Lesben, Schwule, Bisexuelle oder Trans- und Interpersonen - in ihrer Vielfalt zu begreifen und zu erzählen. Denn queere Personen können gleichzeitig Migranten, Flüchtlinge oder Menschen mit Behinderung sein. Es ist eine Vielfalt, die in Wien sonst keinen Raum hat.
Dass es diesen Bedarf an einem Raum gibt, zeige die weitere Entwicklung, sagt Yavuz Kurtulmus im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Aus drei Tage wurden neun." Statt sieben Spielfilme sind es heuer acht Spiel-, elf Dokumentar- und 28 Kurzfilme.
Dementsprechend ist auch das Publikum mitgewachsen. "Es gibt mehr als genug Filmemacher, die ihre Geschichte erzählen wollen und es gibt ein interessiertes Publikum", schlussfolgert Kurtulmus aus den letzten Jahren.
"Es ist auch ein Filmfestival, dessen Entwicklung nicht so notwendig gewesen wäre, hätten andere Filmfestivals in Wien die Themen bedient", erzählt Kurtulmus weiter. Doch Minderheiten innerhalb einer Minderheitengruppe hätten es nach wie vor schwer in der Filmbranche, insbesondere in Wien.
Während international die Bekanntheit des "Transition" kontinuierlich wächst, dauert es auf nationaler Ebene länger: Der Versuch, die eigenen Filme in andere Wiener Filmfestivals zu bekommen, um auch eine breite Öffentlichkeit anzusprechen, gelingt nur langsam. "Wir werden weiterhin existieren, denn es braucht diesen sicheren Raum. Aber das langfristige Ziel ist, auch unsere Filme in der Gesellschaft zu zeigen. Das heißt, wir wollen eine Anlaufstelle sein, die für andere Festivals die Programme erstellt, um unsere Geschichten auch dort zu platzieren", so Kurtulmus.
Mit dem südosteuropäischen "Let’s CEE Filmfestival" gab es heuer erstmals eine Kooperation, die "FrauenFilmTage" ist für nächstes Jahr eine geplant. Auch mit dem "This Human World" und dem "dotdot" gibt es Kooperationen. Weniger erfolgreich läuft es mit der eigenen Community, mit dem queeren
"Identities Filmfestival" zum Beispiel kam keine Kooperation zustande.
Dabei ist das "Transition" mehr noch als zuvor auf die Unterstützung, insbesondere auf die finanzielle Unterstützung, der eigenen Community angewiesen. Denn sei das Festival erstmals durch äußere Umstände verkleinert worden und das sehr kurzfristig. "Durch die Nationalratswahlen hat es uns ziemlich erwischt. Ich glaube, es wussten schon alle, was auf uns zukommt. Niemand konnte uns mehr Förderungen garantieren", erzählt Kurtulmus. So unterstützten unter anderem die Grünen Ulrike Lunacek und Alev Korun sowie SPÖ-Abgeordnete Nurten Yilmaz das "Transition". Doch ohne fixe Mandate blieb das Geld dieses Jahr aus.
Erstmals wurde es aber stattdessen von der Stadt Wien gefördert; Geld, das entschädige. Dennoch musste das Festivalprogramm verkleinert werden, die Jury und Filmemacher aus dem Ausland konnten nicht eingeflogen werden. Für Kurtulmus ein herber Rückschlag: "Mein Herz hat geblutet und es tut immer noch weh. Ich wusste nicht, wie ich den Leuten einen Monat vor dem Festival sagen soll, dass ich sie doch nicht einladen kann."
Auch wenn dem "Transition"-Direktor klar ist, dass es in den nächsten fünf Jahren weiterhin aufgrund der politischen Lage schwierig wird, ist bereits einiges für die Zukunft geplant. Es wird weitergekämpft. Der Slogan des diesjährigen Festivals "Claim your space" wird in den nächsten Jahren weiterhin das Motto bleiben - bis zum 10. Jubiläumsjahr.
Denn die Sichtbarkeit von jenen, die das Anderssein mit dem Anderssein kreuzen, eine Minderheit in einer Minderheit darstellen, fehlt in Wien. "Wir wollen unseren Platz in der Community einnehmen, aber auch in der Gesellschaft. Bis zum 10. Jubiläumsjahr werden wir noch viel mehr Raum in der Stadt einnehmen. Wir werden laut und stark und vor allem ein Teil der Gesellschaft sein", erklärt Kurtulmus die Motivation hinter dem Slogan. Künftig soll zudem auch außerhalb der Filmbranche mehr passieren und Kunst- und Kulturschaffende mit vielfältigen Hintergründen gefördert werden.
"Es braucht viel mehr dieser Projekte in Wien. Wir wollen queeren Migranten und Migrantinnen einen Platz geben, in dem sie ihre Fotos ausstellen können, in denen sie performen können", so Kurtulmus weiter. Einen solchen Raum wird es bereits während des Festivals geben. So wird das Filmprogramm von der Fotoausstellung "B-Project" im "Café Willendorf" begleitet. Die Künstlerin Maja Radosaljevic zeigt dort die Vielfalt von weiblichen Körperteilen und übt damit Kritik an der Mainstream-Fotografie wie auch an gesellschaftlichen Normen. Raum und Sichtbarkeit vielfältiger Minderheiten gibt es beim "Transition" damit auf und abseits der Leinwand.
"Transition" 2017
9. bis 17. November
im Wiener Schikaneder
Detaillierte Informationen
zu Programm und Tickets: www.transitionfilmfestival.at