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Ein Formalakt ohne Würde

Von Christian Mayr

Politik

Kritik an Staatsbürgerschafts-Verleihung: kein Zeremoniell, keine Musik, keine Fotos.|Behörde verweist auf späteres Rathaus-Fest.


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Wien. Ein Beamter im feierlichen Talar nimmt das Gelöbnis auf die Republik ab; am Ende erklingt Musik, Blitzlichtgewitter, rot-weiß-rote Fahnen werden geschwenkt; der Beamte gratuliert - der soeben zum Österreicher Ernannte strahlt über das ganze Gesicht. So oder so ähnlich stellt sich der gemeine Staatsbürger wohl das angemessene Zeremoniell zur Verleihung der Staatsbürgerschaft vor - die Realität ist jedoch eine ganz andere. Zumindest hat ein nunmehr österreichisches Ehepaar in der Vorwoche in Wien die Verleihung als nüchterne Massenabfertigung, als Formalakt bar jeder Würde erlebt.

Schauplatz Amtshaus Dresdner Straße in Wien-Brigittenau, es ist 7.45 Uhr: Ulrike Schelander-Sertic und ihr Mann Viktor Sertic, ein 82-jähriger gebürtiger Österreicher, finden sich am Ende einer langen Schlange mit rund 150Personen ein. Es heißt warten, lange warten. Erst rund zwei Stunden später sind die beiden beim zuständigen Beamten gelandet, der ihnen im T-Shirt gegenübertritt. Er bittet noch um etwas Geduld - und die wird auch sehr strapaziert. Denn zu allem Überdruss gibt es EDV-Probleme. "Somit konnte die Urkunde nicht ausgedruckt werden. Eine für die Verleihung vorbereitete Urkunde gab es nicht", berichtet Schelander-Sertic. Die gebürtige Deutsche hat sich jahrelang als Chefin von Care-Österreich im humanitären Bereich verdient gemacht.

Genaue Vorgabe der Republik

Das EDV-Problem kann letztlich nicht behoben werden. Also wird in einem kleinen, schmucklosen Raum von Schelander-Sertic nur das Gelöbnis auf die Republik gesprochen: "Feierlich. Das einzig feierliche an diesem Morgen", beschreibt ihr Ehemann. Der Rahmen freilich blieb nüchtern. Beide verlassen ein Zeremoniell, das eigentlich keines war, schließlich ganz ohne Urkunde - die gibt es erst tags darauf. Und für den Staatsbürgerschaftsnachweis werden noch einmal 40,59 Euro - wiewohl schon bezahlt - verlangt. Trotz aller Freude überwiegt ein ungutes Gefühl bei den Betroffenen: "Die Staatsbürgerschaft sollte etwas Besonderes und kein Schandfleck sein." Mit einem vornehmen staatlichen Willkommen-Heißen hatte das Ganze sicher nichts zu tun, beklagen sie.

Pikant ist, dass die Republik laut Staatsbürgerschaftsverordnung von 2010 anderes im Sinn hat und sehr wohl einen "feierlich würdigen Rahmen" vorschreibt: Musikdarbietungen und das gemeinsame Absingen der Bundeshymne gehören ebenso dazu wie aufgestellte Fahnen des jeweiligen Bundeslandes, der Republik und der EU, zitiert Innenministeriums-Sprecher Karl-Heinz Grundböck aus der Verordnung. "Die Vollziehung ist aber Landessache - Beschwerden gehen wir gerne nach." In Wien verweist Behördenleiterin Beatrix Hornschall (MA35) auf das "Fest der neuen WienerInnen", wo Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger ein Mal im Jahr alle neuen Staatsbürger ins Rathaus einlädt: "Das ist dann der festliche Teil." Aufgrund des großen Andrangs bei der MA35 (300.000 Verfahren pro Jahr für Einwanderung, Staatsbürgerschaft und Standesamt) sei eben das unmittelbare Zeremoniell eingeschränkt. Die geschilderte Kleidung des Beamten sei jedoch nicht in Ordnung - ein Talar zwar nicht vorgeschrieben, aber doch üblich: "Ich werde alle Kollegen daran erinnern, dass wir die Stadt repräsentieren und T-Shirts nicht vorkommen sollten", bedauert Hornschall.