Zum Hauptinhalt springen

Ein Fragezeichen als Problem

Von Simon Rosner

Wirtschaft

Voest-Chef Eder will die Politik aufrütteln, verunsichert dabei aber auch die Belegschaft. | Der Betriebsrat beruhigt, schickt aber auch Warnungen in Richtung Wien und Brüssel.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Linz. Wenn man ein Fragezeichen geradebiegt, kommt ein Ausrufezeichen heraus. Und genauso muss man wohl auch mit den jüngsten Aussagen von Voest-Chef Wolfgang Eder verfahren, der hinter den Standort Linz ein großes Fragezeichen gestellt hat. Jedes Jahr sinke der Produktivitätsvorsprung, außerdem stünden in einigen Jahren hohe Investitionen in Linz an, doch "derzeit macht es keinen Sinn, in Europa zu investieren", sagte Eder in Ö1. Opfert der Stahlriese Voest im beinharten internationalen Wettbewerb also tatsächlich Linz, die Heimat des Konzerns?

Hans-Karl Schaller, Zentralbetriebsrat der Voest, rückt das Fragezeichen gerade. Eder wolle mit diesen Aussagen nur wachrütteln, sagt Schaller, also ein Ausrufezeichen setzen. Damit aber im Betrieb erst gar keine Unruhe aufgrund derartiger Wortmeldungen der Chefetage entsteht, hat der Betriebsrat am Mittwoch ein Flugblatt verfasst: "Die jüngsten Alarmrufe von Generaldirektor Wolfgang Eder sollen nicht zur Verunsicherung der Belegschaft führen, sondern die Industriepolitik wachrütteln", ist auf dem Aushang zu lesen.

Die drei großen Probleme der Voest

Das ist eben die andere Seite der Kassandrarufe der österreichischen Wirtschaftskapitäne. Arbeitnehmer könnten Angst um ihre Stelle bekommen, was wiederum nicht gerade die Motivation der Belegschaft fördert. Betriebsrat Schaller sagt: "In vielen Punkten hat Eder recht, aber jetzt wird es schon langsam übertrieben. Aber er meint es nicht bös’."

Hans-Karl Schaller ist ein Voest-Urgestein, seit 1982 im Betrieb und mittlerweile mit dem Großen Ehrenzeichen der Stadt Linz bedacht. Er hört nicht zum ersten Mal derartige Warnungen und Standort-Diskussionen. "Das ist halt jetzt eine Kampagne der Industriellenvereinigung und ein paar ihrer Verbündeten, da lasse ich mich nicht schrecken." Eine unmittelbare Gefahr für Linz sieht Schaller jedenfalls nicht.

Doch er sagt auch: "Wir haben Probleme - und die sind vielschichtig." Zum einen hätte eine Überproduktion von Stahl in Europa einen nachhaltigen Preisverfall zur Folge. Statt um die 800 Euro pro Tonne Warmband, ein Stahl-Zwischenprodukt, gebe es dafür derzeit nur etwas mehr als 400 Euro. "Das zweite Problem ist die fehlende europäische Energiepolitik", erklärt Schaller. Die gebe es erst, wenn dort, wo viel Wind weht, viele Windräder stehen und dort, wo oft die Sonne scheint, viele Solarkraftwerke gebaut werden. Ein paar Windräder im Waldviertel, sagt Schaller, hätten nicht viel mit einer gemeinsamen Energiepolitik zu tun.

Unsicherheit wegenKlimastrategie der EU

Und dann gibt es ein drittes Problem, und das ist wohl das gefährlichste für Linz. Hier kommt wieder das Fragezeichen ins Spiel, denn derzeit ist es unklar, wie die Europäische Union den CO2-Handel in den kommenden Jahren organisieren wird. Der Preis von CO2-Zertifikaten, der derzeit unter 6 Euro pro Stück liegt, ist der für den Klimaschutz zuständigen Kommissarin Connie Hedegaard zu niedrig. Sie will eine Erhöhung auf 30 Euro erreichen. Das würde den Stahlriesen Voest jedenfalls treffen, aber allein die Unsicherheit ist problematisch. Denn im Jahr 2020 muss entschieden werden, ob in Linz neue Hochöfen angekauft werden, und das wären jedenfalls sehr langfristige Investitionen. "Die wichtigsten Entscheidungen fallen in Brüssel", sagt auch Voestalpine-Chef Eder anlässlich des Spatenstichs für die neue Fabrik in Corpus Christi.

Die Voest in Linz, erklärt Schaller, stelle puncto CO2-Ausstoß den saubersten Stahl her. "Die Umweltschutzaufwendungen kosten jedes Jahr 160 Millionen Euro, aber darauf sind wir ja auch stolz". Die Zertifikate kommen dann aber noch dazu, und das ist die Variable. Derzeit muss die Voest jährlich zehn Millionen Euro zahlen. Doch was ist in ein paar Jahren? Das ist das Fragezeichen, das für Linz ein Problem darstellt. Bis 2020 könnte sich, je nach Entscheidung in Brüssel, der jährliche CO2-Obulus für die Jahre danach auf 100 oder sogar 200 Millionen Euro belaufen. "Für uns ist das so wichtig, weil eben in diesem Zeitraum die Entscheidungen fallen", sagt Schaller.

In der Frage der Klimapolitik sind Schaller und sein Chef Verbündete, denn auch der Betriebsrat wettert wie Eder gegen die Ziele der Europäischen Union, die den Industriestandort gefährde. Schon rein technisch, sagt Schaller, sei es unmöglich, die Klimaziele zu erreichen. Ohne Industrie gebe es aber auch kein Wirtschaftswachstum, argumentiert er. "Wir können uns zwar alle gegenseitig die Haare schneiden, jodeln und schuhplatteln, aber davon werden wir nicht leben können."

Schaller vermisst Lob für den Standort

Was ihn jedoch an der Standortdebatte stört, ist der zunehmende Fokus aufs Betriebswirtschaftliche. "Nur Angst und Schrecken zu verbreiten, ist auch keine Lösung." Also macht Schaller, was in der Debatte seiner Ansicht nach fehlt: Er lobt den Standort. Er spricht von der Lebensqualität in Linz und dem sozialen Frieden in Österreich, der Qualifikation der Fachkräfte, den Ingenieuren und Technikern, den guten Straßen. An anderen Standorten des Konzerns gebe es das alles nicht. "Ich war in Indien, und da hat es in meinem Hotel innerhalb von 24 Stunden nur zwei Stunden Strom gegeben", erzählt Schaller.

"Das Volkswirtschaftliche wird völlig außer Acht gelassen", beschwert sich der Betriebsrat. "Auf der anderen Seite verliert die Politik das Betriebswirtschaftliche gänzlich aus den Augen. Da ist sich Schaller mit seinem Chef wieder einig.