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Ein fragwürdiger Market-Maker

Von Kid Möchel

Wirtschaft

Strafgutachter zerpflückt die Rolle der Meinl Bank als Market-Maker der Meinl European Land.


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Wien. In das Strafverfahren gegen Julius Meinl und die Meinl Bank wegen umstrittener Zertifikatsrückkäufe bei der früheren Immobilienholding Meinl European Land (MEL) kommt Bewegung. Neben dem Gutachter Martin Geyer hat die Staatsanwaltschaft Wien den deutschen Sachverständigen Andreas Freudenmann engagiert. Freudenmann, Leiter der Handelsüberwachung der Stuttgarter Börse, hatte u. a. zu klären, welche Auswirkungen die den Anlegern mutmaßlich verheimlichten Zertifikatsrückkäufe auf den Kurs der MEL hatten. Es geht um den Verdacht der Kurs- und Marktmanipulation.

"Das Gutachten von Herrn Freudenmann untermauert keine Anhaltspunkte für Marktmanipulation", kontert Meinl-Bank-Sprecher Thomas Huemer. "Die von Ihnen angestellte Interpretation basiert auf äußerst selektiver Zitierung, ist inhaltlich nicht haltbar und wird von der Bank aufs Schärfste zurückgewiesen." So durchleuchte Freudenmann die Rolle der Meinl Bank als Market-Maker. Ein Market-Maker soll durch limitierte Aktien-Kauf- und Verkaufsaufträge temporäre Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage überbrücken und somit für höhere Liquidität sorgen und glättend auf die Kursentwicklung einwirken, definiert der Gutachter die Aufgabe. Das sei eine "eher passive Rolle" und der Market-Maker gehe dabei "üblicherweise nur kurzfristig eigene Positionen", sprich Käufe im eigenen Namen, ein.

Eine eigenartige Rolle

"Kein anderer Handelsteilnehmer hatte im Untersuchungszeitraum 9. Februar bis 27. Juli 2007 einen auch nur annähernd so bedeutenden Anteil am börslichen Handel in MEL-Zertifikaten wie die Meinl Bank", stellt Freudenmann fest. "Diese kommt allein auf einen Marktanteil - Käufe und Verkäufe bezogen auf den Börsenumsatz - von cirka 84 Prozent, die Meinl Bank hat den MEL-Handel absolut dominiert." Außerdem kritisiert er die Market-Maker-Vereinbarung, die der Bank Rückkäufe von bis zu 29,9 Prozent der MEL-Papiere ermöglichte. Diese gehe "weit über das hinaus, was von einem Market- Maker erwartet wird".

Detail am Rande: Über die Ermächtigung für Rückkäufe von bis 20 Prozent erfuhren die MEL-Anleger erst am 23. August 2007, da waren diese schon großteils abgeschlossen. Im September brach der MEL-Kurs dann stark ein.

Zugleich untersuchte der Gutachter die MEL-Schlusskurse, die die Basis für den nächsten Handelstag bildeten. "An 92 von 115 Handelstagen liegt der Schlusskurs über den vorangegangenen zehn Kursen. Eine gewisse Häufung hoher Werte ist von Ende Mai bis Anfang Juni 2007 zu erkennen", meint der Experte. "Das legt die Vermutung nahe, dass systematisch durch Einstellen von Kauforders auf die Preisbildung eingewirkt wurde."

"Wirkte nicht ausgleichend"

Laut Freudenmann tritt ein Market-Maker bei steigendem Schlusskurs eher als Verkäufer und bei sinkenden als Käufer auf.

"Es wird jedoch deutlich, dass das Handelsverhalten der Meinl Bank nicht, wie es für einen Market-Maker zu erwarten ist, antizyklisch war und somit nicht ausgleichend auf die Schlusskurse wirkte", stellt der Fachmann fest. "Der Market-Maker hat das Ausmaß seines Handelns stark an der Kursentwicklung der MEL-Zertifikate selbst ausgerichtet. Während im Zeitraum Februar bis April 2007 bei fallenden Kursen gekauft und bei steigenden Kursen verkauft wurde, fanden im Zeitraum Mai bis Juli per saldo fast ausschließlich Rückkäufe statt, die sich in ihrer Intensität an der Kursentwicklung orientierten." "Der Gutachter stellt klar, dass es sich bei den Aktivitäten der Meinl Bank um Marktmanipulation handeln kann", meint MEL-Anlegeranwalt Michael Poduschka. "Es wurde etwas gemacht, was man möglicherweise als Market-Maker nicht machen hätte dürfen."

Indes behauptet Meinl, dass Freudenmann die tatsächlichen Auswirkungen der Rückkäufe nicht beurteilen kann. Er liefere auch "keine Anhaltspunkte, dass der Kurssturz der MEL durch ein Verhalten der Meinl Bank oder MEL eingetreten sei".