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Ein Frauenschicksal von vielen: Choro

Von Antje Passenheim

Politik

Nairobi - Für ein paar Münzen wird Choro von der Gefängniswärterin Hadaja an ihre Vergewaltiger verkauft. Als Choro in der westkenianischen Haftanstalt von Kakanuga zum Wasser holen geschickt wird, übergibt sie die Wärterin unter der Androhung, sie sonst zu töten, einem Wachmann. Er führt die junge Mutter zum Wasserhaus. Dort warten ihre Vergewaltiger auf sie.


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Als die Misshandelte zwei Monate später meldet, dass sie schwanger ist, wird sie mit Schlägen und Einzelhaft zum Schweigen verurteilt.

"Ein Schicksal unter vielen in Kenia", sagt Marie-Evelyn Petrus. Die Ostafrika-Repräsentantin von Amnesty International ist Mitverfasserin eines Berichts, der zum Weltfrauentag ein Schlaglicht auf das Los afrikanischer Frauen wirft. "Gewalt und sexuelle Misshandlung von Frauen sowie ihre Deckung durch das Gesetz sind in Kenia weit verbreitet", weiß Petrus. "Die Straffreiheit für Polizisten ist dabei ein ebenso großes Problem wie das Gesetz, das etwa Vergewaltigung in der Ehe noch immer nicht als Vergehen ansieht."

Jede Stunde werden nach einer Studie der Hilfsorganisation "Population Communication for Africa" in Kenia zwei Frauen vergewaltigt. "Die Hälfte dieser Vergewaltigungen wird nicht angezeigt. Und noch weniger werden gesetzlich verfolgt", erklärt eine Sprecherin der Organisation. Die meisten Opfer in Kenia erleiden ihr Leid schweigend - aus Angst vor Repressalien, berichtet Petrus. "Wie sollen sie einen Polizisten wegen Vergewaltigung anzeigen, wenn sie es auf der selben Polizeistation bei seinen feixenden Kollegen tun müssen", fragt sie.

In einigen Völkern Kenias ist es noch immer verbreiteter Brauch, eine Witwe an den Bruder ihres verstorbenen Mannes "weiterzuvererben". So zitiert auch der Amnesty-Bericht zahlreiche betroffene Frauen, die gewaltsam zu Sex mit ihren Zwangs-Ehemännern gezwungen wurden. Viele Frauen infizieren sich dadurch mit Aids, heißt es in dem Bericht. Fliehen die Frauen, so bleibt ihnen nur die Obdachlosigkeit, denn "erben" können eine Frau nach dem kenianischen Recht nur die männlichen Verwandten eines Verstorbenen. Eine Witwe, die keiner erbt, wird aus der Gemeinschaft verstoßen.

"Die Verweigerung des Besitzrechts, die Witwenververerbung oder die Zwangsverheiratung von Kindern sind gängige Verstöße auch in den afrikanischen Ländern, die der UN-Konvention gegen die Diskriminierung von Frauen beigetreten sind", kritisiert Jane Kiragu von der Vereinigung Kenianischer Juristinnen. So seien 72 Prozent aller Teenagerinnen im westafrikanischen Land Mali verheiratet worden, ohne dass sie dazu gefragt werden; 57 Prozent seien es in Niger und 47 Prozent im ostafrikanischen Land Uganda. "Ganz gleich ob Ost oder West", meint dazu Frauenrechtlerin Kibithi. "Viele Gesetze sind löchrig, und da wo sie es nicht sind, steht das traditionelle afrikanische Frauenverständnis im Weg." Und das heißt: Die Frau ist Eigentum des Mannes - und sie hat es schweigend zu ertragen.