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Ein Freibrief für Rosinenpicker oder eine koalitionäre Kompromissgeburt?

Von Petra Medek

Analysen

Das neue Postmarktgesetz ist eine klassische Kompromisslösung. Viele Köche haben gleichzeitig versucht, den Gesetzes-Brei nach ihrem Geschmack zu verändern. Da wäre einmal die Post selbst: Sie hat klarerweise keine Freude damit, an den Kosten für die Umstellung der Hausbrieffachanlagen maßgeblich beteiligt zu sein, wie es das neue Gesetz vorsieht. | Dabei könnten sich die Postfüchse eigentlich darüber freuen, dass sie mit dem Umbau der Brieffächer erst 2012 fertig sein müssen. Das ursprüngliche Ziel von 2013 oder gar 2014 konnte damit zwar nicht gehalten werden. Wie viele Brieffächer es umzurüsten gilt, will die Post nicht beziffern. Laut dem Konkurrenten Redmail handelt es sich um rund ein Drittel der vier Millionen Zustelladressen. Dennoch profitiert die Post: Der Markt wird nämlich schon 2011 geöffnet, das heißt, per Gesetz dürften Post-Konkurrenten bereits ein volles Jahr früher Briefe zustellen - falls sie die Post einwerfen könnten.


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Hier stießen schwarz-schwarze Interessen aufeinander: Während das Finanzministerium als Eigentümervertreter die Interessen der Post hochzuhalten hat, setzt sich die Wirtschaftskammer für eine möglichst rasche Öffnung der Brieffächer ein. Die Karotte für die Kämmerer: Der Umsatz, den ein alternativer Zusteller erzielen muss, um in den Universaldienst-Fonds einzahlen zu müssen, liegt nicht bei 500.000 Euro, wie ursprünglich im ersten Entwurf von Ministerin Bures geplant, sondern nun bei einer Million Euro.

Ein weiterer Kompromiss trifft die Arbeitgebervertreter ebenso wie die Gewerkschaft: Infrastrukturministerin Doris Bures wollte ursprünglich im Gesetz fixieren, dass in der Zusteller-Branche künftig der Kollektivvertrag der Güterbeförderer gilt. Das ging der ÖVP zu weit. Der Weg der Mitte: Im neuen Gesetz ist zwar von einem KV die Rede, allerdings nicht mehr von einem bestimmten. Wer zustellen will, muss also lediglich nachweislich einen KV für seine Beschäftigten anwenden - mehr nicht.

Kein Wunder also, dass niemand richtig zufrieden ist mit diesem neuen Gesetz, das nicht nur überraschend schnell zustande kam, sondern auch versucht, allen etwas zu bringen. Alternative Zusteller vermissen eine echte Marktbelebung, die Post interpretiert das Gesetz als Schutz für Rosinen-Picker. Die Verkehrssprecherin der Grünen spricht gar von einer "koalitionären Kompromissgeburt".