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Ein Freund ging nach Amerika . . .

Von Roland R. Firtinger, Spartanburg

Wirtschaft

Als BMW 1992 eine Produktion in den USA ansiedelte, gab man für das Gelingen keinen Pfifferling. Heute sieht die Situation deutlich anders aus: Die Bayern verkaufen mittlerweile mehr Autos in den Vereinigten Staaten als in Deutschland - und das Motorenwerk im oberösterreichischen Steyr bereitet sich ebenso wie die Grazer Magna Steyr-Leute darauf vor, dass mit dem neuen kleinen Geländesportler X3 der Boom noch heftiger wird.


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Volkswagen war mit seiner Produktionsansiedlung an den US-Gewerkschaften gescheitert, die Japaner beschränkte sich darauf, ihre Autos für den amerikanischen Markt zu fertigen, BMW machte sich auf, ebenfalls in den Staaten Fuß zu fassen. Ohne Chance, wie viele meinten. Man schrieb 1992 als im - gewerkschaftsfreien - South Carolina der Spatenstich für ein Werk erfolgt, das Fahrzeuge nicht nur für den US-Markt produzieren sollte. Auf dem 405 Hektar großen Gelände an der Interstate 85, Nähe Greenville im Bezirk Spartanburg, entstand das erste komplette Produktionswerk von BMW außerhalb Deutschlands - und dies in einer Region, die bisher mehr schlecht als recht von textilverarbeitender Industrie leben konnte.

Mittlerweile hat sich der Deal ohne Frage für beide Seiten mehr als vorteilhaft erwiesen. Auf dem Gelände ist die ursprüngliche Verpflichtung, 2.000 Arbeitsplätze zu schaffen und 600 Mill. US-Dollar an Investitionsausgaben zu tätigen, bei weitem überschritten worden. Seit 1995 ist das Werk im Zuge der Entwicklung neuer Modellreihen mehrmals erweitert worden, der Roadster Z3, die Coupés und Roadster der M-Reihe, der X5 und nun auch der Z4 wurden und werden ausschließlich in Spartanburg gebaut. BMWs direkte Investitionen beliefen sich insgesamt auf 1,9 Mrd. US-Dollar, in der Fertigung werken mittlerweile 4.700 Mitarbeiter.

Im Jahr 2001 beliefen sich die jährlichen Lohn- und Gehaltszahlungen von BMW auf 345 Mill. Dollar, was zweifellos die Einkommensgrundlage von South Carolina beträchtlich steigert. Zulieferer haben zusätzliche 2,1 Mrd. Doller investiert und damit ebenfall erheblich zum Wachstum dieser Region beigesteuert. "Als wir hierher kamen" sagt Z4-Produktionschef Dieter Lauterwasser im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", "war Greenville ein verschlafenes Städtchen, an der Hauptstraße gab es gerade mal drei Restaurants. Heute sind es deren 36!".

Derzeit laufen in Spartanburg der Roadster Z4 und der Geländesportler X5 vom Band. Letzterer nach einem Facelift, bei dem immerhin 2.000 Teile neu sind - die Umstellung am Band dauerte gerade 9(!) Arbeitstakte á 2,7 Minuten. Darauf ist man besonders stolz, - als der Letzte der "alten" Serie vom Band rollte, kam quasi hinten schon der erste der neuen Modellreihe zur Türe rein.

Leerlauf ist nicht angesagt in Spartanburg. Als man 1995 mit der Produktion begann - das erste in USA gefertigte BMW-Fahrzeug war ein 318i - hatte man ein Ziel von 50.000 Einheiten pro Jahr. Heuer sollen laut Plan 150.000 BMWs aus Spartanburg rollen, unbestätigt aber dennoch glaubhaft werden es wohl 170.000 sein. Mit im Verbund ist auch Österreich. Das BMW-Motorenwerk in Steyr liefert im Jahr rund ein Fünftel der Produktion, also 100.000 Diesel- und Benzinaggregate nach South Carolina zur Bestückung der dort exklusiv gefertigten Z4 und X5, von denen 30 bis 40 Prozent in den amerikanischen Markt gehen. So gesehen ist der Motor eines BMW X5 3,0d ein Heimkehrer, wenn er in Österreich zu einem Händler kommt.

Auch in das Händlernetz wurde in den letzten Jahren kräftig investiert. Als BMW sich mit einer eigenen Produktion Richtung USA aufmachte, setzte man dort 50.000 Einheiten im Jahr ab, heute - zehn Jahre später - werden an die 250.000 BMWs an Mann/Frau gebracht. In naher Zukunft wird diesbezüglich die 300.000er-Marke überschritten werden. Das Händlernetz umfaßt 340 Standorte, 327 sind autorisiert und der Mini ist bei 70 Händlern zu bekommen, die aber nicht alle den Kleinen exklusiv vertreiben. Die heftigsten Mitbewerber heißen Lexus und Mercedes, da nehmen die BMW-Händler heuer insgesamt 300 Mill. Dollar in die Hand, um fürs Match gewappnet zu sein.

Mithelfen wird der X3, der im nächsten Monat vorgestellt wird und von dem man mittlerweile weiß, daß er deutlich mehr Kaufwillige anziehen wird, als ursprünglich von BMW erwartet wurde. An eine Produktion in Spartanburg des kleinen X5-Bruders ist dennoch nicht gedacht, die Fahrzeuge werden aus Graz anreisen.

Und Diesel in Amerika? Steckt im wahrsten Sinne des Wortes im Dreck. Denn Diesel ist etwa gleich teuer wie Benzin und somit keine Alternative, zudem sind an den Tankstellen die Diesel-Zapfsäulen im hintersten, unbeleuchteten und meist dreckigsten Winkeln zu finden, wo gerade einmal die Trucker halten und der Ölfilm zentimeterhoch auf dem Beton steht. Nichts für den Gucci-beschuhten Geschäftsmann in einem 740d. Abhilfe muß also von den Tankstellen-Netzbetreibern kommen, denn auch das große Amerika wird sich dem Diesel-Boom nicht entziehen können. Bei BMW sagt man: "Wir sind bereit" - und die Motoren sind dann, wie sollte es anders sein, made in Steyr. Alles andere würde auf Grund der Stückzahlen wenig Sinn machen.

Eine Auszeichnung, die unmittelbare Auswirkungen auf den Absatz in den USA hat, ist J.D.Power. In mannigfaltigen Sparten (ähnlich dem Oscar in der Filmindustrie) vergeben, wird damit dem Endverbraucher dargelegt, was gut, besser, am besten ist und wo die Sieger zu Hause sind. BMW bekam für den Z4 im Vorjahr den 2. Platz und erwartet die Jungs von J.D.Power in den nächsten Tagen in Spartanburg. Denn es steht die Übergabe für den

1. Platz an, der heuer mit dem X5 und dessen Umstellung auf das ´04er-Modell errungen werden konnte.

Da darf die Brust breit und die Schultern noch breiter werden, der Münchner Hersteller hat in USA mehr als nur ein Bein auf den Boden bekommen. Obwohl anfangs als chancenlos abgetan, obwohl die Vorzeichen keineswegs positiv standen. Heute fühlt man sich wohl in Amerika, manch verdienter Mitarbeiter, wie etwa Dieter Lautenwasser, wird nur mehr zu Besuch nach Bayern kommen. Denn, so der Z4-Produktionsleiter: "Mir gefällt es da, ich fühle mich wohl, ich werd´ meinem Lebensabend hier genießen". Ein Freund ging nach Amerika .