Erstmals Schwarz-Grün in deutschem Flächenland - Merkel wiedergewählt.
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Berlin/Wiesbaden. In kaum einem anderen deutschen Bundesland waren die Gräben zwischen der CDU und den Grünen so tief wie in Hessen. Die traditionell tief konservative Unions-Landesgruppe traf auf eine frühe Bastion der Öko-Partei, von der aus einst Joschka Fischer Karriere gemacht hat. Seit Dienstag sind die langjährigen und gegenseitigen Verbalinjurien Makulatur: Drei Monate nach der Landtagswahl einigen sich CDU und die Grünen auf die Bildung einer Koalition. Volker Bouffier, der die vergangenen fünf Jahre mit der FDP regierte, bleibt damit Ministerpräsident.
Die Koalition ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Denn Bouffier vollzieht mit ihr seine Wende vom "Sheriff" - so sein Spitzname als hessischer Innenminister - zum moderaten Landesvater. Und Hessen ist das erste deutsche Flächenland, in dem Schwarz-Grün Realität wird. Einen Anlauf gab es ab 2008 im Stadtstaat Hamburg, er scheiterte nach lediglich zwei Jahren. Kurz nach dem Wechsel an der Hamburger CDU-Spitze beendeten die Grünen damals die Koalition.
Testlauf für den Bund
Hessen gilt als ideales Versuchslabor. Bringen Schwarz und Grün hier ihre unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Philosophien unter einen Hut, schaffen sie es wohl auch im Rest der Republik. Nicht zufällig war die Vereinbarkeit des Ausbaus von Frankfurts Flughafen mit dem Lärmschutz für Anrainer Stolperstein bei den Koalitionsverhandlungen. CDU und Grüne konnten sich in diesem Punkt einigen; der Landesvorsitzende der Öko-Partei, Tarek Al-Wazir, ist gar als neuer Wirtschafts- und Verkehrsminister für den Flughafen zuständig. Auch das Umweltressort geht an die Öko-Partei, die somit für das Managen der Energiewende verantwortlich ist - die von Hessens zahlreichen Industriebetrieben mit Argwohn beobachtet wird.
Heute, Mittwoch, wird der Koalitionspakt unterschrieben. Im Bund ist man dagegen schon einen Schritt weiter: Am Dienstag wurde Angela Merkel mit 462 von 631 Stimmen zum dritten Mal nach 2005 und 2009 zur Kanzlerin gewählt. Das bedeutet, zumindest 32 Abgeordnete der Koalition aus Union und SPD haben Merkel ihre Stimme verwehrt. "Ich hätte mir gewünscht, wenn man eine gemeinsame Regierung anstrebt, dass man das mit einem noch eindrücklicheren Ergebnis macht", sagte SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles.
Wenig begeistert sind die Sozialdemokraten auch vom schwarz-grünen Pakt in Hessen. Denn die Union zeigt damit eindrücklich, dass sie nach dem Verlust der FDP als traditionelle Mehrheitsbeschafferin prompt Ersatz findet.