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"Wahrscheinlich sollten wir das nicht tun", sagte er noch. Der Nachrichtensender Sky News zeigte am Sonntag Bilder davon, wie ein TV-Reporter in einem Koffer kramte. Zahnbürste, Flasche, Autoschlüssel in die Hand nahm und dann wieder in den Koffer warf. Dieser Koffer gehörte einem der Reisenden, die im Flieger Malaysian Airlines MH17 ihr Leben verloren haben.
"Wahrscheinlich sollten wir das nicht tun" - ein Fünkchen Anstand war also noch da, bevor die Gier nach dem Exklusiv-Bild es ausgelöscht hat. Ein Sturm der Entrüstung folgte im Internet. Das sei ein "schrecklicher Moment für den Journalismus", urteilte ein Medienprofessor. Andere empfanden das, was sie da sahen, als "widerlich" und empfahlen Sky, sich zu schämen.
Und das tat der Sender. Am Montag entschuldigte sich Sky für das unangemessene Verhalten seines Reporters. Colin Brazier, der betreffende Journalist, rechtfertigte sich damit, dass er an der Absturzstelle an seine Grenzen gekommen sei. Keiner wird leugnen, dass die Berichterstattung von solchen Tragödien besonders schwierig ist - und dass der schmale Grad zwischen Pietät und Respektlosigkeit an solchen Orten noch schmäler ist. Doch gerade, wenn man meint, man müsse noch vor Ermittlerteams mit Kameras durch Trümmer und Leichenteile schreiten, müsste man besondere Sorgfalt walten lassen. Auch wenn die News immer schneller und grauslicher werden müssen, wenn Opfer rapide nur noch zu Zahlen abstrahiert werden, darf man nicht vergessen, dass man immer noch über das Schicksal von Menschen berichtet.