Mit der Aktion "Hallo Minister" wollen die Freiheitlichen beim Bürger punkten. Scheinbar wird auf diese Weise auch gleich der Wahlkampf schon zur Regierungshalbzeit eingeläutet. Den Auftakt des hochkarätig besetzten "Sprechtages" machte das Bundesland Kärnten. Nicht nur die FP-Regierungsmitglieder gewährten den Rat- und Hilfesuchenden Audienz, auch der Kärntner LH Jörg Haider und die Generalsekretäre Theresia Zierler und Heinz Sichrovsky standen für ein persönliches Gespräch zur Verfügung. Justizminister Dieter Böhmdorfer und Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck blieben aus terminlichen Gründen der Veranstaltung fern.
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Die Zeremonie beginnt am Samstag vormittag am Hauptplatz von St.Veit an der Glan. Die bestellte Kapelle bläst sich von einem Marsch zum anderen. Vor dem spätgotischen Rathaus der mit satter SPÖ- Mehrheit regierten Stadt warten die FP-Mitarbeiter schon gespannt auf die Ankunft ihrer Minister und Partei-Granden. Der bei solcher Gelegenheit obligatorische Umtrunk, Sekt, darf natürlich auch hier nicht fehlen.
In sicherem Abstand zum Begrüßungskommitee stehen schaulustige St. Veiter und beobachten die Szene. Der erste, der eintrifft, ist der Landeshauptmann. Gleich nach ihm kommt auch Infrastrukturministerin Monika Forstinger. Leutselig begrüßt Jörg Haider die Umstehenden und stellt Forstinger, die als seine "Erfindung" gilt, vor: "Das ist unsere Verkehrsministerin, die schaut, dass die Züge rollen und die Straßen gebaut werden." Er lacht dabei und schiebt die etwas verdutzte Ministerin in Richtung der scheuen Zaungäste. Die Tourismusstaatssekretärin Mares Rossmann gesellt sich zu den beiden, und gemeinsam geht es zum einzigen Bauernmarktstand am Platz, wo die drei hohen FP-Funktionäre mit lokalen Käsespezialitäten gespeist werden.
Die Neugierde wächst als Finanzminister Karl-Heinz Grasser ankommt. Er ist mit dem neuen Dienstwagen, einem Audi, nach St. Veit chauffiert worden. Er begibt sich sofort auf Begrüßungstour. Junge, Alte und Kleinkinder werden von ihm angesprochen. Eine ältere St. Veiterin bietet dem Finanzminister auf die Frage, ob ihr der Sekt denn schmecke, sogleich ihr Glas an: "Sie können gerne weitertrinken, ich darf eh net." Grasser ignoriert freundlich und wendet sich einer Männergruppe zu, mit der er über den Terminstress eines Ministers plaudert. Die Bewunderung für seine großen, schlanken Wuchs ist ebenso ein Gesprächsthema wie sein professionell freundliches Auftreten. "Er is a liaba Bua", meint ein Passant.
Als letztes Regierungsmitglied trifft Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer ein. Sie wird sofort mit Blumen empfangen. "Wo sind die Mädchen", fragt Haider, der auch den restlichen weiblichen Regierungsmitgliedern einen Blumenstrauß zukommen lassen will.
Als Grasser vom St. Veiter Bürgermeister Gerhard Mock (SP) als etwas sperrig in Sachen Geld bezeichnet wird, lässt der Landeshauptmann nichts über Grasser kommen: "Der Finanzminister ist nicht sperrig wenn es um Kärtner Anliegen geht." Wie sich später in der Pressekonferenz herausstellen sollte, konnte Haider für sein Bundesland in Gesprächen mit Forstinger und Grasser ein Infrastrukturpaket zur Abwendung der drohenden Krise in der Bauwirtschaft herausschlagen.
Zur offiziellen Begrüßung gab es "a kärnterisches Liadle". Der FP-Chefin wird ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift "Du bist für mich die Richtige" um den Hals gehängt. Ihr Parteifreund Jörg dazu: "Ich hätte eher draufgeschrieben: Du bist für mich die Rechte." Da sich alle ein wenig verspätet haben, geht’s dann schnurstracks ohne große Ansprachen zum "Ministersprechtag". Die Vizekanzlerin ist stolz, dass die Initiative in Kärnten gestartet wird. "Es gab viele Briefe an mich von Bürgern, die niemals daran glaubten, dass sie persönlich vorsprechen können." Auch, dass sich zumindest die FP-Regierungsvertreter nicht nur hinter den Schreibtischen verschanzen, sei ein deutliches Zeichen für "neu regieren". Bis vor Weihnachten wolle die FPÖ ihre Ministertour noch in sieben Bundesländern absolvieren.
Ein jeder Minister hat ein volles Tagespensum. Im 10 bis 20-Minutentakt müssen die Probleme abgehandelt werden. Eine Nachbearbeitung im Ministerbüro ist den von Bürokratie oder politischer Unbill Betroffenen sicher. Die Besucher mussten sich schon im Vorfeld der Veranstaltung via Karte anmelden und auch den Grund ihres Terminansuchens bekanntgeben. "Damit wir uns vorbereiten konnten", erklärt eine Kabinettmitarbeiterin das Procedere. Bei Ministerin Forstinger ist der Andrang nicht enorm, dafür sind die Gespräche intensiv. "Es gibt viele Anfragen von Spediteuren, die Näheres über die Lkw-Maut wissen wollen", erklärt sie.
Einen enormen Ansturm gibt es bei Sozialminister Herbert Haupt. Sorgen wie das Nicht-Anerkennen der Berufsunfähigkeit in Deutschland, Klagen über ungerechtfertigte Einhebung der Ambulanzgebühr oder der Vorschlag zur Einbringung einer Gesetzesinitiative für eine Zusatzpension der Wirtschaftstreuhänder sind Gesprächsthemen. Die Mitarbeiter des Sozialministers versichern: "Wir werden jedes Anliegen anschauen, und wo es sich um Grenzfälle handelt, soll eine Lösung zur Zufriedenheit der Betroffenen gefunden werden." Selbiges betont auch die Vizekanzlerin. Besonder krass erscheint ihr der Fall eines Mannes, der ein Kleinkraftwerk bauen will. "Seit neun Jahren wird der Mann von einer Behörde zur anderen im Kreis geschickt." Gerade dieses Beispiel bestätigt für sie die Notwendigkeit der Verwaltungsreform. "Es muss für ein Verfahren festgelegte Maximalfristen geben", heißt deshalb eine Forderung der FPÖ.