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Ein ganzes Land sucht Investoren

Von Brigitte Suchan

Politik

Es war einmal ein Land - fruchtbar, reich an Naturschätzen und landschaftlicher Schönheit - um das sich die Mächtigen der Welt schon immer rissen. Den gastfreundlichen Bewohnern dieses Landes gereichte dieser Umstand nicht unbedingt zum Vorteil. Die wechselvolle Geschichte des Landes krönte ein grausamer Diktator, der Menschen und Natur für seine Zwecke erbarmungslos missbrauchte und schließlich gestürzt wurde. Das ist mehr als zehn Jahre her. Seither warten die Bewohner auf den Prinzen, der sie und ihr schönes Land wachküssen könnte.


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Durch Rumänien reisen, ohne Fragen nach der Vergangenheit - genauer nach Nicolae Ceausescu und seiner Diktatur - zu stellen, ist unmöglich. Zu offensichtlich sind die Wunden, die er und seinesgleichen dem Land geschlagen haben. Zum System Ceausescus gehörte es, alles was im Land gebraucht wird, auch im Land herzustellen. Industrieanlagen wurden in den Siedlungsgebieten errichtet, damit die Leute in der Region wo sie lebten auch arbeiten konnten. Das geschah zum Teil ohne Rücksicht auf vorhandene Transportwege oder Rentabilität und schon gar nicht auf Umwelt oder Kunstschätze.

So kommt es, dass man wunderschöne Gegenden erlebt und gleich darauf mit scheußlichen Industrieanlagen konfrontiert ist, wie etwa in der wildromantischen Bicaz-Klamm deren Ausgang ein riesiges Kieswerk verunziert. Oder Hunedoara (Eisenmarkt): Da steht etwa 500 Meter neben einer riesigen erzverarbeitenden Industrieanlage mit Schloss Corvanesti das einzige gotische Schloss Siebenbürgens. Es ist die Stammburg des ungarischen Königs Matthias Corvinus und deshalb Pilgerstätte für viele ungarische Touristen.

In dieser Gegend wird schon seit den Römern Eisenerz abgebaut und auch die Familie Corvinius verdankte ihren Reichtum dem Erzabbau. Somit ist die Industrieanlage vor den Toren der Burg eine zwar hässliche aber historisch schlüssige Entsprechung.

Die Menschen in Hunedoara haben auch kein Problem mit der Industrieanlage an sich und den Umweltschäden, die sie im Laufe der Jahre verursacht hat, sondern damit, dass sie nicht mehr genügend Arbeitsplätze schafft. In der Stadt, die Reiseführer als die schmutzigste Stadt Rumäniens bezeichnen, verdiente man gut.

Dass Touristen nicht unbedingt erpicht sind, in Hunedoara mehr Zeit zu verbringen, als die Besichtigung des Schlosses in Anspruch nimmt, erstaunt allerdings kaum.

In den vom Massentourismus noch unentdeckten Regionen Siebenbürgen, Bukowina und Maramuresch setzt man auf den Fremdenverkehr. Hier gibt es weitgehend unberührte Natur, Städte mit mittelalterlicher Bausubstanz, jede Menge ungezwungene Folklore und eine Fülle an Sehenswürdigkeiten. In den malerischen sächsischen Dörfern in Siebenbürgen wird seit kurzer Zeit Urlaub auf dem Bauernhof angeboten, was für alle empfehlenswert ist, die sich gerne mit Land und Leuten auseinander setzen und keinen großen Wert auf Vier-Sterne-Komfort legen.

Touristische Highlights Rumäniens sind u.a. die Moldauklöster Moldovita, Sucevita, Arbore, Humor und Voronet, die mit ihren einzigartigen Außenfresken aus dem 16. Jahrhundert wohl zu den schönsten Sakralbauten Europas gehören. Sehenswert auch die Holzkirchen des Maramuresch und die Städte Sibiu (Hermannstadt), Brasov (Kronstadt) und Sighisoara (Schäßburg), das mit seiner mittelalterlichen Burgstadt als Perle Siebenbürgens gilt.

Ärger mit Dracula

In Schäßburg konzentriert sich zur Zeit alle Aufmerksamkeit auf ein Haus mit einem vergoldeten Drachen über der Tür. In diesem Haus lebte von 1431 bis 1435 ein gewisser Vlad Tepes, seines Zeichens Fürst und Träger des Drachenordens, weshalb man ihm den Beinamen Dracul gab. Seine grausame Gewohnheit, Feinde, Diebe und Kriminelle zu pfählen, soll den irischen Schriftsteller Bram Stoker zu dem Roman "Dracula" inspiriert haben.

Aus dem Weltruhm des Buches über den Blut saugenden Grafen, den alle Welt mit Rumänien verbindet, obwohl er eigentlich gar nichts mit diesem Land zu tun hat, will der rumänische Tourismusminister Dan Matei Agathon jetzt Profit schlagen. Nur wenige Kilometer von Schäßburg entfernt soll auf einem 60 Hektar großen Grundstück, das die Stadt zur Verfügung gestellt hat, ein gewaltiger Themenpark rund um Dracula entstehen. Rund 32 Mill. Dollar (35 Mill. Euro) soll der Park kosten, von der Summe hat das Tourismusministerium allerdings erst ein Zehntel beisammen. Man sucht noch nach Investoren bestätigt auch der Bürgermeister von Schäßburg, Dorin Danesan, der sich von dem Megaprojekt einen Aufschwung für die gesamte Region erwartet.

Mehr als eine Million Touristen pro Jahr, mehrere Millionen Euro Einnahmen und 3000 Arbeitsplätze versprechen die Draculaparkplaner den Schäßburgern. Die sind allerdings eher skeptisch, denn der legendäre Vampir gehört keineswegs zum volkstümlichen Allgemeingut, sondern ist eine Erfindung Hollywoods. Die Rechte an dem Abbild der Figur Dracula müsste Rumänien den Universal Studios erst um teures Geld abkaufen. Verhandlungen laufen bereits. Auch befürchten viele, dass der Touristenrummel dem mittelalterlichen Charakter der Stadt, die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, Schaden zufügen könnte.

Erfolgversprechender klingt ein Tourismusprojekt im Kurort Sovata in den Karpaten. Dort hat die ungarische Hotelkette Danubius die vier größten Hotels aufgekauft. Kommunistischer Plattenbaucharme soll in westliche Drei- bis Viersterne-Kategorie umgewandelt werden. Grundlage für die Kuren ist der Salzschlamm aus einem unterirdisch gespeisten Salzsee. Bisherige Anwendungsgebiete: Rheuma und gynäkologische Leiden. Neue Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass es auch Heilerfolge bei Psoriasis gibt.

Zeitreise aufs Land

Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft zeichnen die meisten Rumänen aus. Die Menschen hier lieben es, zu plaudern und zu diskutieren und kredenzen Gästen was Küche und Keller zu bieten haben. Zeit ist vor allem in den ländlichen Gebieten ein völlig relativer Begriff.

Wo Bauern ihre Felder nach wie vor mit Pferd und Egge pflügen und mit der Hand bearbeiten, vollziehen sich Veränderungen nur langsam.

Was hat sich geändert in den letzten zehn Jahren frage ich einen Bauern in einem Dorf in der Bukowina, der in liebevoller Akribie 5000 Gegenstände des bäuerlichen Lebens in einem Heimatmuseum zusammengetragen hat. Es ist freier geworden, meint er. Die Menschen trauen sich, Ideen zu haben und darüber zu sprechen. Die schlechten Straßen müsste man verbessern und Skilifte müsste man bauen, denn im Winter gibt's hier immer viel Schnee, sprudelt er los. Aber leider fehlt das Geld. Man sucht noch nach Investoren.

Vor allem in den kleineren Städten und Dörfern sieht man, dass die Menschen gelernt haben, initiativ zu werden. Viele Häuser werden renoviert, neue gebaut. Es gibt nett aussehende Wirtshäuser, privat geführte, saubere Hotels und genügend moderne, gut beleuchtete Tankstellen. Westliche Autos, Mc Donalds-Filialen und Skateboards für die Dorfjugend - die Alten sitzen in ihrer Tracht daneben und nehmen's gelassen. Die krassen Gegensätze fallen wahrscheinlich nur dem Reisenden auf.

Rumänien und die EU

Natürlich gehört Rumänien zu Europa in die Union sagt mir ein junger Mönch im Kloster Putna nahe der ukrainischen Grenze. Schließlich hätte Rumänien für Europa jahrhundertelang die Funktion des Bollwerkes gegen kriegerische Völker aus dem Osten ausgeübt. Die Mitgliedschaft wäre deshalb einfach ein spätes Dankeschön.

Bis zum EU-Beitritt liegt allerdings noch ein langer Weg vor Rumänien. Offiziell hat sich Rumänien das Jahr 2007 als möglichen Beitrittstermin vorgenommen. Realisten rechnen eher mit frühestens 2010. Mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von umgerechnet 100 Euro und einer Inflationsrate von 25 Prozent kann nur eine Minderheit kaufen, was in den Geschäften an westlichem Luxus angeboten wird.

Luise, die früher Lehrerin war und jetzt bei ihrer Freundin als Reiseführerin in deren neu gegründeter Reiseagentur jobt, klagt darüber, dass die Einkommensunterschiede so hoch sind. Ihre Pension würde gerade ausreichen, um die Miete zu bezahlen, erzählt sie. Sie und ihr Mann Feri, der Musiker gewesen ist, blicken eher skeptisch in die Zukunft. Simeon wiederum ist optimistisch. Er glaubt, dass die Menschen begreifen werden, dass sie etwas tun müssen, arbeiten müssen, damit sich etwas verändert