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Architektin Revedin: Gute Architekten müssen auch Sozialarbeiter sein.
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Wien. Architektur, die sich ausschließlich aus der Vergangenheit nährt und keinen Mut für Visionen aufbringt, sollte endgültig passé sein, wenn es nach Daniel Jelitzka, Geschäftsführer von JP Immobilien, geht. Um visionäre und innovative Architekturkonzepte verstärkt an die Oberfläche zu bringen, initiiert der Immobilienentwickler nun den Preis Superscape, der mit 20.000 Euro und umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit prämiert wird. Wer in die zweite Runde kommt, erhält eine Aufwandsentschädigung. Präsentiert wird der Architekturpreis heute, Dienstag, in der Lehargasse 7 um 18 Uhr. Eingereicht werden kann bis 31. März 2014. Im Anschluss findet eine Podiumsdiskussion mit Wolfgang Kos, Direktor des Wien Museum, sowie Peter Mörtenböck, Professor an der TU Wien und den beiden Architektinnen Jana Revedin und Laura Spinadel statt.
Architektur und Planung sei die gesellschaftliche Schnittstelle der Stadt, sie würde weit über das Grundbedürfnis Wohnen hinausreichen, sagt Jelitzka. Als Architekt müsse man daher auch die Umgebung, also Räume, wo sich Anwohner treffen können, mitdenken. "Die Begegnung spielt sich meistens auf der Straße ab. Und dort, wo sich das Leben der Anwohner auf der Straße trifft, dort entsteht Urbanität." Jelitzka nimmt hier auch die privaten Wohnbauträger in die Pflicht. "Es ist als Privater nicht mehr ausreichend, nur Wände zu schaffen, die man dann mieten oder kaufen kann, sondern es ist auch wichtig, ein geeignetes Umfeld - auch auf der eigenen Liegenschaft - zu schaffen. Als Bauträger verkauft man heutzutage auch sozialpolitische Verantwortung."
Gelungene Beispiele in der Stadt gibt es bereits. Jelitzka hebt den WU-Campus hervor. Im Gegensatz zum Vorgänger wurde auf dem jetzigen Unigelände die Tiefgarage unter dem Platz gebaut. Um nun in die einzelnen Institute zu kommen, muss man aus dieser Tiefgarage hinaus auf den Platz und diesen überqueren. Dadurch entsteht bereits eine Interaktion mit anderen Studierenden. "Auf der alten WU ist man in die Tiefgarage gefahren, in den Lift eingestiegen und beim Institut ausgestiegen und hat dabei keinen Studenten gesehen."
Sozialarbeiter und Diven
Auch das Museumsquartier funktioniert, obwohl es nicht bewusst für diese Nutzung geschaffen wurde. "Der Platz hat sich zu einem Mehrwert entwickelt, ohne dass jemand bei der Planung daran gedacht hätte", so der Immobilienentwickler.
Der Architekt der Zukunft müsse ein Ökonom, ein Katalysator für Kunst, aber auch ein Sozialarbeiter sein, betont Jana Revedin. Derzeit gebe es hingegen zu viele "Diva-Architekten", die sich in den Bauwerken nur selbst darstellen wollen. "Von Sozialarbeit wollen die nichts hören." Laut der Architektin müssen aber Projekte und Gebäude gemeinsam mit den Bewohnern gemacht werden. Diese Gebäude sollen weiters im Sinne der Flexibilität nie fertiggestellt werden, sondern gemäß ihrer Benützung wachsen und erweiterbar sein. "Als Architekt muss ich mich fragen, wie ich in Räume fünf verschiedene Leben bringen kann, ohne Ängste - wie leider bei vielen Architektenkollegen -, dass ein Werk nie mehr angetastet werden darf. Keine Stadt und kein Lebensraum hat je in unserer Geschichte so funktioniert."
Für Laura Spinadel hindert in Wien die Struktur des geförderten Wohnbaus die Kommunikation mit den Bewohnern. "Wir haben Kontakt mit Bauträgern, Genossenschaften, aber keinen Kontakt zu den Menschen", kritisiert sie. Durch den fehlenden Kontakt haben aber auch die Architekten den Bezug den Menschen verloren. "Wir bedenken kaum, dass viele Menschen Kredite für 10, 20 Jahre aufnehmen und sich viele Familien dafür opfern, um unser Produkt zu erhalten."
Wozu Architekten?
Aber auch in der Gesellschaft würde man nicht mehr wissen, wofür Architekten eigentlich da sind. "Dabei könnten wir Partner von Träumen der Menschen sein", meint Spinadel. Ähnlich wie Jana Revedin fordert auch sie Räume, wo sich Gesellschaft ungezwungen bilden und wo man Tag für Tag Neues entdecken kann. "Der Schlüssel für weitere Innovationen ist der Raum, der sich bespielen lässt und wo Veränderung stattfinden kann."
Ein weiteres Jurymitglied des Architekturpreises, Peter Mörtenböck, bezieht sich auf Bruno Kreisky: "Wenn Politik keine Visionen hat, dann ist sie nur mehr ein sinn- und zielloses Taktieren." Für Mörtenböck ist dieser Satz eins zu eins auf Architektur übertragbar. Und die "unglaublich verfahrene Vorstellung, dass Architektur die Aufgabe hat, Stadtbewohner zu aktivieren", sei schon längst überholt. Denn die Stadtbewohner seien längst aktiv.