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Müssen Zwangssteuern sein? Darüber ist in Deutschlands Qualitätsmedien eine kleine, aber feine Debatte entbrannt, die der Philosoph Peter Sloterdijk angestoßen hat.
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Der mediengewandte Denker plädiert dabei für eine neue, unserer Zeit angemessene Kultur des freiwilligen Schenkens, das an die Stelle des herrschenden Systems mit seinen verpflichtenden Abgaben und Steuern treten solle: "Ich rege ein ernstes Gedankenexperiment an, denn die Umstellung von Zwang auf Freiwilligkeit stellt in meinen Augen eine der wichtigsten psycho-politischen und moralischen Fragen der Zukunft dar, in Steuerfragen wie in ökologischen Fragen", so Sloterdijk in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".
Im bestehenden System von Zwangsabgaben sieht er autoritäre, obrigkeitsstaatliche wie auch vulgär-sozialistische Wurzeln lebendig. Letztere etwa rechtfertigt eine höhere Besteuerung der Leistungsträger damit, dass diesen ja nur genommen werde, was sie sich zuvor unrechtmäßig angeeignet hätten. Sloterdijk definiert Leistungsträger dabei rein technisch als diejenigen, die mehr an Steuern zahlen, als sie an Transfers zurückerhalten. In Deutschland wie in Österreich ist dies nur eine Minderheit.
Natürlich ist die Idee von mündigen Bürgern, die im Falle wirtschaftlichen Erfolgs freiwillig einen Teil ihres Einkommens für die Allgemeinheit spenden, eine romantische Idee. Und die allermeisten sind wohl überzeugt, dass sie in der Praxis scheitert: Wer gibt schon freiwillig so viel her, wie ihm derzeit durch Zwang genommen wird?
Und doch spricht Sloterdijk einen wesentlichen Punkt an, wenn er feststellt, dass "es den modernen Gesellschaften nicht gut tut, wenn man die gebende Dimension in der menschlichen Psyche kleinredet". Das Ganze ist eine Frage des Denkens: Fördere ich die Überzeugung, dass (wirtschaftliche) Leistungsfähigkeit zur Solidarität verpflichtet, oder doch eher den Glauben, dass dem viel genommen werden muss, der viel hat?
In Deutschland hat Finanzminister Wolfgang Schäuble angekündigt, sich mit Sloterdijk zu treffen, um über seine Thesen zu diskutieren. Für Österreich ist das Thema wohl zu abstrakt.