Analyse: Die Welt stellt sich zwar trotzig gegen den Rückzug der USA aus der internationalen Klimapolitik. Doch die anderen Länder hätten gegenüber den weiterhin auf fossile Energie setzenden Amerikanern einen massiven Wettbewerbsnachteil.
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Washington. Als Laurent Fabius am frühen Abend des 12. Dezember 2015 mit einem kleinen grün-weißen Hämmerchen auf seinen Tisch schlägt, löst sich mit einem Mal die gesamte Anspannung im Gesicht des französischen Außenministers. Auf seinen Lippen zeichnet sich ein Lächeln ab, und auch im großen Saal des Messegeländes von Le Bourget brandet plötzlich Jubel auf. Viele der Delegierten liegen sich sogar in den Armen, denn nach nächtelangen Verhandlungen und all den Enttäuschungen der vergangenen Jahre steht nun auf einmal eine Vereinbarung, die alle Staaten der Welt zum Klimaschutz verpflichtet. Selbst die USA, China und Indien, die zuvor massiv auf der Bremse gestanden sind, erklären sich im Rahmen des Pariser Abkommens bereit, alles zu tun, um die Erderwärmung deutlich unter der kritischen Marke von 2 Grad Celsius zu halten.
Heute, knapp eineinhalb Jahre später, ist die globale Klimapolitik allerdings wieder schwer unter Beschuss. Denn US-Präsident Donald Trump, der die amerikanische Kohle wieder groß machen will, hat bereits in den vergangenen Wochen damit begonnen, all das zu demontieren, was sein Amtsvorgänger Barack Obama gegen teils massive Widerstände aufgebaut hat. Nach der Lockerung der Umweltauflagen für US-Kohlekraftwerke und der vollkommenen Neuausrichtung der Umweltschutzbehörde EPA ist da die am Donnerstagabend von Trump verkündete Aufkündigung des Pariser Abkommens nur ein nächster logischer Schritt. Trump wetterte im Rosengarten des Weißen Hauses gegen die "unfairen" Abmachungen. Das Abkommen sei "schädlich" für die Vereinigten Staaten und unfair gegenüber der amerikanischen Wirtschaft, die stärker belastet würden als andere Staaten. Trump verwies dabei vor allem auf China, das seine Emissionen bis 2030 weiter steigern dürfe, während die USA der Deal jährlich Milliarden Dollar koste. Um das amerikanische Volk zu schützen, sei es daher seine "feierliche Pflicht", auszusteigen. Statt dessen wolle er einen "gerechteren Deal" erreichen. "Jegliche Umsetzung der nicht bindenden Teile des Abkommens werden die USA schon ab heute beenden", fügte Trump in seiner Ansprache hinzu. Damit deutete er an, dass sich Washington auf die Vier-Jahres-Frist für den kompletten Ausstieg halten werde.
Dass die USA auf nationaler Ebene dem Klimaschutz den Rücken kehren, bedeutet allerdings in unmittelbarer Hinsicht nicht viel. Denn die USA sind zwar nach China der weltweit zweitgrößte Emittent von Treibhausgasen, doch aufgrund des überaus erbitterten Widerstands der Republikaner hat es schon in den vergangenen 25 Jahren so gut wie keine Reduktion beim CO2-Ausstoß gegeben. Und auch Obamas Klimaschutzmaßnahmen, die er in den letzten Jahren seiner Präsidentschaft über Umwege durchsetzen konnte, hätten erst mittelfristig gegriffen.
Die Logik des Marktes
Doch der Rückzug der USA könnte am Beginn eines gefährlichen Dominospiels stehen. Denn die anderen Länder mögen durch Trumps Politik kurzfristig zusammengeschweißt werden. So haben Indien und Russland etwa angekündigt, ihre im Rahmen des Pariser Abkommens gemachten Zusagen auch nach einem Ausstieg der USA einhalten zu wollen. Und auch Chinas Ministerpräsident Li Keqiang hat am Donnerstag nach einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel betont, dass die Volksrepublik weiterhin zu ihrer Verantwortung stehen werde. Doch die Regeln des Marktes könnten selbst den besten Vorsätzen schon bald einen Strich durch die Rechnung machen. Denn wenn die ganze Welt zunehmend auf grüne Energie setzt, würde das unweigerlich zu massiven Überschüssen bei Öl, Gas und Kohle führen. Und wie die Preise regieren, wenn es große Überangebote gibt, hat sich in den vergangenen drei Jahren eindrucksvoll beim Öl ablesen lassen. Von knapp 120 Dollar im Jahr 2014 fiel das Barrel binnen weniger Monate auf unter 50 Dollar.
Die weiterhin auf fossile Energie setzenden Amerikaner hätten dann einen beträchtlichen Kosten- und Wettbewerbsvorteil gegenüber all jenen, die sich für den Ausbau und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energieformen entschieden haben. Lange durchhalten wird sich das wohl nicht lassen. Zwar werden Staaten wie China, wo der Klimaschutz aufgrund der massiven Umweltprobleme längst als Frage des eigenen Überlebens erkannt worden ist, keine Kehrtwende mehr machen. Doch andere große Schwellenländer wie Russland, Brasilien, oder Indien, die 2015 erst mit ins Boot geholt werden konnten, als auch die USA dabei waren, könnten da vielleicht schon weniger zimperlich sein. Zumal auch die Logik des Pariser Klimavertrags eine solche Entwicklung durchaus auch befördern könnte. Denn anders als beim völkerrechtlich viel verbindlicheren Kyoto-Protokoll haben die Staaten in Paris jeweils für sich selbst festgelegt, zu welchen Treibhausgas-Einsparungen sie bereit sind. Das hat zwar alle an einen Tisch gebracht und den Abschluss eines Abkommens ermöglicht, doch es gibt dementsprechend auch keine Sanktionen oder sonstigen Konsequenzen, wenn das angegebene Ziel nicht erreicht wird.
Hoffnung an den Seitenlinien
Hoffnung für das Weltklima gibt es aber dennoch. Denn der Klimaschutz ist in den USA nicht nur eine Sache des Bundes, sondern auch Staaten und Städte besitzen zahlreiche Möglichkeiten der Regulierung. Und zumindest in den dicht bevölkerten Regionen der Ost- und Westküste ist längst die Einsicht da, wie eminent wichtig erneuerbare Energien sind.
Ein neues Bewusstsein gibt es mittlerweile auch bei vielen großen US-Konzernen. "Es gibt den Klimawandel, und das ist wissenschaftlich anerkannt", betonte jüngst Jeffrey Immelt, Chef des Mischkonzerns General Electric. Sein Unternehmen hat sich schon 2015 verpflichtet, den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2020 um 20 Prozent zu senken. Coca-Cola will seine CO2-Emissionen in den kommenden Jahren sogar um 25 Prozent reduzieren. Und Apple rühmt sich, in den USA nur noch erneuerbare Energien zu verwenden. Sogar die großen Ölmultis wie Chevron oder Exxon haben längst umgeschwenkt.