Im Alter von nur 56 Jahren starb Saad Kheir, Chef des jordanischen Geheimdienstes, in einem Wiener Hotelzimmer an einem Herzinfarkt. Er war einer der Besten seiner Zunft.
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Der Spionagethriller ist zu Ende, der Geheimdienstchef hat alle Feinde ausgetrickst. Er klopft elegant den Staub vom Revers seines perfekten Maßanzugs und entschwindet wieder in seine Welt voll Illusion und Macht. Im wirklichen Leben endete das leider keineswegs so für General Saad Kheir, den brillanten, wenn auch emotional verletzten Meisterspion, der von 2000 bis 2005 Jordaniens Geheimdienst leitete und vor kurzem in einem Wiener Hotelzimmer 56-jährig einem Herzinfarkt erlag.
Kheir zählte zu Arabiens besten Geheimdienstlern seiner Generation. Er leitete viele erfolgreiche Infiltrierungsaktionen gegen palästinensische Extremistengruppen und al-Kaida. "Er hat den Standard für unser heutiges Vorgehen gesetzt", sagt ein früherer CIA-Mitarbeiter, der eng mit Kheir zusammengearbeitet hat.
Ich lernte Kheir vor fünf Jahren kennen, als ich für den Nahost-Roman "Body of Lies" recherchierte, der später mit Leonardo DiCaprio verfilmt wurde. Kheir war das Vorbild für "Hani Salaam", meinen fiktiven jordanischen Geheimdienstchef. Wie alle Geheimdienstchefs Jordaniens wurde er mit dem Ehrentitel Pascha angesprochen, also gab ich auch meiner fiktiven Figur den Spitznamen "Hani Pascha". Die Figur stahl - eben weil sie auf einem wirklichen Spion basiert - allen die Show. Benehmen, Garderobe, alles war dem lebenden Vorbild nachgebildet.
Auf Kheir gestoßen bin ich durch George Tenet, den damaligen CIA-Chef. 2003 fragte ich Tenet, welcher ausländische Geheimdienst sich als besonders hilfreich im Kampf gegen al-Kaida erwiesen habe. "Die Jordanier", sagte er wie aus der Pistole geschossen: "Deren Saad Kheir ist ein echter Superstar!"
Also bemühte ich mich bei meinem nächsten Besuch in Amman darum, Kheir persönlich kennen zu lernen. Er strahlte einen ziemlich rauen Charme aus - zwischen Humphrey Bogart und Omar Sharif anzusiedeln. Gekleidet war er elegant und exquisit. Er erzählte mir von einigen seiner Aktionen. Offenbar pflegte er äußerst gründlich vorzugehen, so gründlich, dass er regelrecht in das Leben des anderen schlüpfte.
So erzählte mir zum Beispiel ein früherer CIA-Mitarbeiter von einer besonders erfolgreichen Aktion, bei der Kheir einen Dschihadisten bis in eine Wohnung in Osteuropa verfolgte. Dort drückte er ihm ein Handy ans Ohr und sagte: "Red mit deiner Mutter". Die Mutter des Mannes war tatsächlich am Telefon und bedankte sich für den neuen Fernseher, die Couch und das Geld, das sie glaubte, von ihren Sohn bekommen zu haben. "Wir können viel Gutes für dich tun, so lautete die Botschaft. Genauso können wir dir aber auch sehr weh tun", erzählte mir der CIA-Mitarbeiter.
Wie viele arabische Geheimdienste hat auch der jordanische den Ruf, brutale Verhörmethoden anzuwenden. Den Spitznamen "Fingernagelfabrik" hat er sicher nicht grundlos. Aber Kheirs Verhör-Erfolge beruhten häufig auf einer anderen Art von Einschüchterung: Er stellte sich hinter den Verhörten und sprach auf möglichst bedrohliche Weise über dessen Familie, Freunde und Kontakte. In vielen Fällen erwies sich das als viel einschüchternder als körperliche Gewalt.
Kheir geriet allerdings mit seinem Chef, König Abdullah, in Konflikt, weil er sich zu weit in Politik und Geschäftsleben vorwagte. Er war nicht der erste Nahost-Geheimdienstchef, der auf diese Weise übers Ziel hinausschoss. 2005 wurde er entlassen. Dieser Rausschmiss hatte für ihn grausame Folgen: Laut zechend, die Beherrschung verlierend, war er daraufhin öfter zu sehen. Geblieben ist die Erinnerung an seine Genialität. Es gibt kaum einen anderen Ausländer, der mehr amerikanische Leben gerettet hat als Saad Pascha.
Übersetzung: Redaktion