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Türkische Firmen lockten mit 40 Prozent Zinsen. | Geld wurde in die Türkei verschoben. | Fünf Milliarden Euro Schaden allein in Deutschland. | Wien. Die Außenministerin weiß nichts - und will damit nichts zu tun haben. Der Finanzminister weiß ebenfalls nichts - und fühlt sich nicht zuständig. Die Justizministerin weiß ein bisschen was - aber sie möchte das lieber nicht sagen. Die Innenministerin scheint etwas mehr zu wissen - aber sie verrät aus Gründen des Datenschutzes nichts. Das Bundeskriminalamt dürfte eine Menge darüber wissen - aber es schweigt. Die Rede ist von den sogenannten Islam-Holdings, die seit mehr als zehn Jahren europaweit bekannt sind und in mehreren Staaten möglicherweise bereits hunderttausende türkische Gastarbeiter geschädigt haben.
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Eine vor kurzem gestellte parlamentarische Anfrage des SPÖ-Abgeordneten Johann Maier an vier Regierungsmitglieder brachte die Gewissheit, dass auch Österreich in diesen Finanzskandal involviert ist: Laut Innenministerin Maria Fekter gebe es hierzulande besonders unter den türkischen Gastarbeitern eine nicht näher definierbare Anzahl von Geschädigten. Es gab laut Fekter Ermittlungen gegen zumindest sieben Gesellschaften, es kam zu Strafanzeigen bei den Justizbehörden, in elf Fällen wurde wegen Geldwäsche ermittelt.
Islamkonforme Anlage
Den in betrügerischer Absicht tätigen Islam-Holdings liegt eine Art Genossenschaftsmodell - das Konya-Modell - zugrunde, das den islamischen Glaubensregeln entsprechen sollte. Da Zinsen im Koran verboten sind, wurde auf diese Weise eine Alternative zum gottlosen Westkapitalismus ins Leben gerufen. Vorreiter dieses Modells war die Yibitas-Holding, deren Chefbuchhalter Dursun Uyar später Vorstandsvorsitzender der Yimpas-Gruppe wurde. 2006 gab es laut Essener Zentrum für Türkeistudien nicht weniger als 52 derartige Holdings.
Sie traten und treten vornehmlich in Westeuropa unter Namen wie Kombassan, Ymta, GAP, Ittifak, Saya, Jet-Pa Endüstrie, Ensar, Kaldera oder UTM United Trade Management in Erscheinung und erhielten Unsummen von muslimischen Gastarbeitern, die aus der Türkei stammen.
Unter dem Vorwand einer sauberen Veranlagung sammelten sie von ihren Opfern allein in Deutschland geschätzte 5 Milliarden Euro ein. Kombassan, eine der aktivsten Holdings, soll einen Schaden von 1,5 Milliarden Euro verursacht und 65.000 Personen betrogen haben.
Wertlose Anteilsscheine
Im Namen Allahs wurden die gutgläubigen Anleger häufig mit Hilfe von Moscheevereinen unmittelbar im Anschluss an die Freitaggebete animiert, sich mit ihren Ersparnissen, oft auch mit eigens aufgenommenen Krediten, an den türkischen Holdings zu beteiligen. Diese gaben nicht nur vor, mit den Finanzmitteln Investitionen vorzunehmen und tausende neue Jobs zu schaffen, sondern versprachen auch astronomische Gewinnbeteiligungen (bis zu 40 Prozent) und die jederzeit mögliche Rückzahlung der bar bezahlten Veranlagungssummen.
In Wahrheit handelte es sich bei diesen sogenannten Beteiligungen um wertlose Anteilsscheine, zum Beispiel Namensaktien, die oft nur zum Bezug von Aktien - bisweilen einer ganz anderen Gesellschaft - berechtigten. Von einigen Holdings, die Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaften gegründet hatten, wurden aber auch stille Beteiligungen verkauft. Die Anleger konnten dabei nicht nur gewinnen, sondern mussten auch Verluste verkraften.
Das eingesammelte Geld wurde sodann nach Presseberichten "in Koffern und Säcken" in die Türkei verschoben. Etliche dieser Geldschieber wurden bei den illegalen Finanztransfers von nationalen, aber auch von türkischen Zollbehörden aufgegriffen und festgenommen. Was mit den Beträgen geschah, die in die Türkei gelangten, ist kaum nachvollziehbar.
Es besteht der Verdacht, dass Islam-Holdings der islamisch orientierten konservativen türkischen AKP nahe standen oder stehen. Dafür sprechen beispielsweise personelle Verflechtungen - einige AKP-Abgeordnete waren einst bei diesen Firmen beschäftigt. Aus Sicht des deutschen Verfassungsschutzes ist die Finanzierung radikal-islamischer Gruppen jedenfalls nicht auszuschließen.
Holdings in der Pleite
Doch damit nicht genug: In etlichen Fällen schlitterten Islam-Holdings in die Pleite und ließen scharenweise ruinierte Anleger zurück, die ihr Erspartes verloren. Ein gutes Beispiel hiefür ist der türkische Mischkonzern Yimpas A.S. Er war in der Schweiz mit der Yimpas Group AG vertreten - Firmenzweck war das Halten von Beteiligungen - und in Deutschland mit der Yimpas Verwaltungs GmbH in Offenbach.
Ab 2000 wurden in den deutschsprachigen Ländern mehrere Kaufhäuser eröffnet, die zunächst nach außen hin recht gut liefen. Schon zwei Jahre später meldete zunächst die Yimpas-Tochtergesellschaft Ymta GmbH Konkurs an, und im Jänner 2004 wurde auch über die Yimpas Verwaltungs GmbH beim Amtsgericht Frankfurt am Main das Konkursverfahren eröffnet. Ein dreistelliger Millionen-Euro-Betrag verschwand spurlos. Wie für alle anderen genannten Firmen und Personen gilt die Unschuldsvermutung.
In der Schweiz hatte sich die Bundesstaatsanwaltschaft schon 2003 mit der Yimpas Group AG befasst. Es bestand der Verdacht des Anlagebetrugs und Verdacht auf Geldwäsche. Das Unternehmen soll immerhin rund 5000 Anleger um 115 Millionen Franken geprellt haben. Es wurde, wie beispielsweise auch die luxemburgische Kombassan S.A., in Konkurs geschickt und im Oktober 2007 liquidiert und aufgelöst.
Schon zuvor hatte sich Yimpas, so wie einige andere Holdings, angesichts der zahlreichen Straf- und Zivil-verfahren - allein in Deutschland laufen hunderte - in die Türkei zurückgezogen. Dort geht sie angeblich weiter ihren Geschäften nach.
In Österreich trat Yimpas 2002 die Bregenzer Kaufhausfirma an eine Y&A Handels GmbH ab, die ebenfalls unter gutgläubigen Anlegern Schaden anrichtete und im Mai 2003 in den Konkurs schlitterte. Die österreichische Kriminalpolizei soll sich intensiv mit dem Fall befasst haben - ohne jedoch große Ermittlungserfolge zu erzielen. Die Firma wurde im Juni 2004 gelöscht.
Es war stets dasselbe Spiel: Sobald ein Konkurs angemeldet war, verschwanden die Gesellschaft und die gesellschaftsrechtlich verantwortlichen Organe - und die Anlegergelder. Das international verschlungene Geflecht aus Holdings, GmbHs und AGs war bei den kriminalpolizeilichen Ermittlungen meist nicht zu knacken.
300.000 Geschädigte
Der Skandal ist längst nicht ausgestanden: In der Türkei wurde ein 400-seitiger Parlamentsbericht über die illegale Ausgabe von Anteilsscheinen durch Holdings erstellt, in dem 78 Firmennamen zu finden sind. Die türkische Aufsichtsbehörde für den Kapitalmarkt ging schon 2005 davon aus, dass es europaweit 300.000 Geschädigte geben könnte.
Dennoch ist wenig passiert: Die meisten Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der Holdings, etwa Yimpas-Boss Dursun Uyar, wurden eingestellt. In den betroffenen Unternehmungen existieren keine Unterlagen über die Verwendung der eingesammelten Millionen.
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