Als Wiener | 1989 Rückzug nach Lucona- und Noricum-Affären.
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Nähere Information über die Erkrankung von Gratz gab es auf Wunsch der Angehörigen nicht. Als Grund ließ die Familie über die Ärzte nur ausrichten, dass Gratz sich vor 17 Jahren ins Privatleben zurückgezogen habe. Der langjährige Politiker hatte zwei Söhne aus erster sowie eine eine Tochter aus zweiter Ehe.
Ein Bankierssohn als SPÖ-Hoffnungsträger
Leopold Gratz, einer der Kronprinzen von Bruno Kreisky, unter dessen Kanzlerschaft er während der Minderheitsregierung 1970 Unterrichtsminister war, hinterließ vor allem Spuren als Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien. Als Sohn eines Bankiers wurde Gratz am 4. November 1929 in Wien-Ottakring geboren. Nach dem Jurastudium begann er beim Arbeitsamt, wechselte aber sehr rasch in die Politik: Er wurde Sekretär des SPÖ-Parlamentsklubs, 1963 bis 1966 war er Bundesrat und wechselte 1966 in den Nationalrat. Als poltisches Talent sollte er der Wiener SPÖ 1973 die absolute Mehrheit, die unter Felix Slavik zu kippen drohte, retten. Was ihm mit 60 Prozent - der höchste Anteil, den die SPÖ in Wien seit 1945 hatte, auch tatsächlich gelang.
Gratz holte Helmut Zilk als Stadtrat für Kultur- und Bürgerdienste und den jetzigen Bürgermeister Michael Häupl für die Umwelt.
In seine mehr als elfjährige Amtszeit (5. Juli 1973 bis 10. September 1984) fallen der Bau der Donauinsel, die Eröffnung des Freizeitparadieses Oberlaa, der Bau der Entsorgungsbetriebe Simmering sowie der Hauptkläranlage.
AKH-Skandal führte zur Übergabe an Zilk
Auch weniger erfreuliche Dinge gab es: Den Bauring- und den AKH-Skandal, die Misere um das Rinter Müllzelt und den Einsturz der Reichsbrücke am 1. August 1976. Diese Ereignisse führten schließlich zur Amtsübergabe an Helmut Zilk. Gratz blieb aber in der Politik. Fred Sinowatz holte ihn im September 1984 als Außenminister in sein Kabinett. 1986 bis 1989 war er Nationalratspräsident.
Zum politischen Stolperstein wurde für Gratz seine Freundschaft mit Udo Proksch. Nach dessen Verurteilung zog er sich 1989 aus der Politik zurück. Der Noricum-Skandal (Waffenexporte in den Iran), während seiner Zeit als Außenminister, fand 1993 mit einem Freispruch für Gratz wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ein Ende.