)
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bei der Steuerreform, die das politische Österreich derzeit hyperventilieren lässt, war öfters ein Satz zu hören: Österreich hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Er ist nicht falsch, wird aber meist von wirtschaftsliberalen Lobbys (die gar nicht alle im Lobbyregister stehen) verwendet, um den Sozialstaat zurückzuschneiden. Und bekommt so eine ganz andere Bedeutung.
Richtig wäre wohl der Satz: Österreich hat ein Einnahmen- und ein Ausgabenproblem. Lohn- und Umsatzsteuer werden auch nach der Reform die mit Abstand wichtigsten Steuerquellen bleiben. Mehr als 40 von 70 Milliarden Euro stammen aus diesen beiden Quellen. Für die Gemeinden bleiben die Kommunalabgaben eine wesentliche Finanzierungsstütze. Alle drei zusammen sind lupenreine Massensteuern, die insgesamt eine recht geringe soziale Staffelung aufweisen - auch wenn es nun bei der Lohnsteuer etwas aufgeht.
Es wäre also schon eine Überlegung wert, die Einnahmenstruktur grundsätzlich zu überdenken, auch wenn dies bedeutet, das herrschende Bund-Länder-Gemeinden-Geflecht zu zerschlagen. Ein Beispiel: Das Breitband-Internet und die bevorstehende Automatisierung der Industrie werden die Arbeitswelt grundlegend verändern. Städte werden sich neu finanzieren müssen, bestehende Industrie-Cluster werden fragmentieren - und haben bereits damit begonnen. Das Steuersystem nimmt darauf keinerlei Rücksicht, auch nach der Reform nicht.
Bei den Ausgaben kann die aktuelle Wiener Spitalsärzte-Debatte als Beispiel herhalten. Österreich gibt wirklich viel Geld für die Gesundheitsversorgung aus, die meisten Spitalsärzte zählen aber 2016 zu den Gewinnern der Steuerreform - weil sie so wenig verdienen. Eine grundlegende Änderung der Ausgabenstruktur liegt da wohl nahe.
Das bedeutet freilich eine Abkehr von Strukturen. Wien wird mehr Spitalsbetten brauchen, weil die Stadt so schnell wächst. Das jetzige System nimmt auf die Dynamik von Realitäten aber keine Rücksicht. Also beginnt es überall dort, wo die Wirklichkeit auf die staatliche Organisation trifft, zu knirschen. Von SPÖ und ÖVP heißt es ganz gerne, nur diese beiden "Großen" sind in der Lage, die großen Herausforderungen zu stemmen. Die Gelegenheit dazu war nie so günstig wie jetzt, trotz der Steuerreform.