Johannesburg, die Welthauptstadt der Kriminalität. Das ist der Ruf, den die größte Stadt der südafrikanischen Provinz Gauteng im Allgemeinen hat. In den letzten Jahren hat sich die Kriminalitätsrate im Land offiziellen Angaben zufolge zwar stabilisiert, die Anzahl der Morde sei aber dennoch drei- mal so hoch wie in Brasilien und zehnmal so hoch wie in den USA. Mit dem vom 26. August bis 4. September in Johannesburg stattfindenden Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung hofft die Stadt, ihr Image verbessern zu können. Doch die Probleme in Südafrika sind nicht nur die hohe Kriminalitätsrate.
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Der Gipfel, auch "Earth Summit" genannt, wird im Nobelviertel im Norden von Johannesburg, in Sandton, statt finden. Die etwa 60.000 Delegierten und Aktivisten, darunter auch rund 60 Staatsoberhäupter aus der ganzen Welt, werden in Hotels untergebracht werden und rund um das Areal werden Sicherheitssperren errichtet werden, wie Sprecher der Polizei mitteilten.
Die Polizeitruppen der Provinz Gauteng, die für den Gipfel abgestellt werden, wurden noch zusätzlich um etwa 7.000 Mann verstärkt, so dass nun 26.000 Polizisten während einer der bisher größten Versammlungen der UNO für Recht und Ordnung sorgen werden. Es werde hart gegen gewalttätige Demonstranten vorgegangen werden, kündigte die Polizei an. Man habe außerdem "unangekündigte Versammlungen" verboten.
"Wir wollen das Image loswerden, dass die Kriminalität in Südafrika blüht und gedeiht", sagt die Polizeidirektorin Henriette Bester. "Wir glauben, dass dieser Gipfel viel zur Meinungsbildung beitragen wird und wir wollen, dass die Delegierten mit der Botschaft nach Hause gehen, dass Johannesburg eine sichere, pulsierende und freundliche Stadt ist", erklärte ein Sprecher der Stadtverwaltung.
Eine besondere Unterstützung erhält die Polizei durch ein vom Apartheidregime entwickeltes Mini-Flugzeug, dass mit einer Kamera ausgerüstet, Aktivitäten bis auf 14 km Entfernung überwachen kann. Es werde keine gröberen Sicherheitsprobleme während des Gipfels geben, zeigte sich der südafrikanische Sicherheitsminister Charles Nquakula bei der Vorführung des fliegenden Spions überzeugt. Hauptsächlich werde der sogenannte "Seeker" während des UN-Treffens eingesetzt, um Verbrecher aufzuspüren. Doch auch Aktivisten, die den Gipfel stören könnten werden damit überwacht werden.
Grüner Gipfel
Der Gipfel werde für die Menschheit "von herausragender Bedeutung sein", sagte Umweltminister Valli Moosa in einer Parlamentsansprache. Bei dem Treffen sollen vor allem Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut und zur umweltfreundlichen Entwicklung besprochen werden.
Um diesen Gedanken schon während des Gipfels aufzugreifen, wollen die Organisatoren die Müllmenge so gering wie möglich halten. "Wir wollen diesen Gipfel so grün wie möglich machen. Er soll vorbildlich sein", sagte die Umweltministerin der Provinz Gauteng, Mary Metcalfe. Es soll auch ein "Verbrauchsbarometer" aufgestellt werden, das den Teilnehmern zeigen soll, wie viel Wasser und Energie sie verbraucht und wie viel Abfall sie produziert haben.
In Johannesburg fallen etwa 140.000 Tonnen Müll pro Monat an, von denen nur wenig wiederverwertet wird. In den Wochen vor dem Earth Summit wurden die Straßen Johannesburgs jedoch auf Hochglanz gebracht. "Während des Gipfels wollen wir 90 Prozent des Mülls wiederverwerten oder kompostieren", erläuterte Metcalfe. Für die Organisation des Treffens wurden Aufträge erstmals an Firmen vergeben, die bestimmte Umweltkriterien erfüllten. Strom für den Gipfel wird zum Teil aus Solaranlagen kommen. Tische, Sesseln und andere Anschaffungen, die für den Gipfel gemacht wurden, werden danach Schulen und anderen Einrichtungen in Südafrika zur Verfügung gestellt.
Ein vor einem Monat vom WWF veröffentlichter Bericht hat Südafrikas Umgang mit der Umwelt jedoch in ein sehr schlechtes Licht gerückt. Die Bevölkerung verbrauche die natürlichen Ressourcen viel schneller, als sie sich regenerieren könnten. Bereits jetzt seien 46 Prozent der Wälder, 62 Prozent der Grasflächen und 90 Prozent der Mangrovenwälder zerstört, so der Bericht. Erschreckend sei auch die Verschwendung von Wasser in der Provinz Western Cape, die innerhalb der nächsten 30 Jahre in einer Wasserknappheit enden werde, die vor allem die Armen treffe.
Jobs für Johannesburg
Um nicht mit dem ersten Jahrestag der Terrorattacken vom 11. September 2001 zu kollidieren wurde der Termin für den Earth Summit vorverlegt. Die Vorbereitungen waren dennoch immer in der Zeit, wie die Organisatoren mitteilten.
Sie und viele Beobachter sind davon überzeugt, dass der Gipfel Johannesburg grundlegend verändern wird. Zumindest vorübergehend werden etwa 12.500 Jobs geschaffen. Durch eine Imageverbesserung könnten über einen längeren Zeitraum auch die Tourismuszahlen verbessert werden. Der Gipfel könnte einen Wirtschaftsboom auslösen, der die hohe Arbeitslosigkeit der Großstadt Johannesburg etwas lindert. Die meisten Wirtschaftsexperten gehen allerdings davon aus, dass diese Verbesserung nur kurzfristig sein wird.
Beim UN Treffen selbst steht die Problematik der Großstädte, wie Kriminalität, hohe Arbeitslosigkeit oder Armut, ebenfalls auf der Tagesordnung.
Kindervergewaltigungen
Ende des letzten Jahres veröffentlichte der damalige südafrikanische Sicherheitsminister Steve Tshwete - der heuer im April nach kurzer Krankheit starb - einen Bericht, wonach die Zahl der Morde in Südafrika seit 1994 - dem Jahr der ersten demokratischen Wahlen - um 25 Prozent zurück gegangen sei.
"Die Polizei hat enorme Fortschritte gemacht in der Bekämpfung der Kriminalität", zeigte sich Tshwete überzeugt. In einer Pressekonferenz übte er Kritik an den Medien, die einzelne Fälle hochspielten, so dass es für die Öffentlichkeit aussehe als ob die Kriminalitätsrate steige. "Nicht die Kriminellen sondern wir gewinnen den Kampf gegen das Verbrechen in diesem Land", so Tshwete.
Doch diverse Zeitungen kritisierten Tshwete und betonten, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2001 noch immer 15.000 Morde gemeldet wurden und dass vor allem die Zahl der Babys, die vergewaltigt werden, weiter steige.
Diese "baby rapes" werden auf den weit verbreiteten Mythos zurückgeführt, dass ein Mann durch Beischlaf mit einer Jungfrau vor Aids geschützt oder sogar davon geheilt werden kann. Letztes Jahr wurden der Polizei etwa 21.000 Fälle von Vergewaltigungen von Kindern und Babys gemeldet.
Ein großes Problem bei der Verbrechensbekämpfung ist allerdings, dass die Polizei Südafrikas von vielen Schwarzen noch immer als rassistisch angesehen wird. Tatsächlich gab es in den letzten Jahren immer wieder Anschuldigungen gegen Polizisten, zu hart gegen mutmaßliche Verbrecher, vorwiegend schwarzer Hautfarbe, vorgegangen zu sein. Doch anhaltender Rassismus in den Polizeirängen und anderen Bevölkerungsschichten ist nur eines der Probleme der Vergangenheitsbewältigung in Südafrika.
Vergangenheitsbewältigung
Im Mai dieses Jahres kam es in Johannesburg und Pietersburg zu gewalttätigen Studentenprotesten, bei denen auch Passanten verletzt wurden. In Johannesburg etwa beschossen aufgebrachte StudentInnen Autos mit Steinen, um für einen freien und kostenlosen Bildungszugang in jeder Altersstufe zu demonstrieren. Die Proteste wurden sowohl von Ex-Präsident Nelson Mandela als auch vom regierenden ANC auf das Schärfste kritisiert.
Einige Tage später kündigte Bildungsminister Kader Asmal neuerliche Verbesserungen im Gebiet der Hochschulen an. Nach dem Ende der Apartheid hatte die neue Regierung bereits stark in zuvor rein schwarze Universitäten investiert, doch der Bildungssektor ist trotz offizieller Anti-Segregationspolitik der Bereich, in dem Unterschiede zwischen schwarz und weiß noch am deutlichsten sichtbar sind. Laut Statistik besuchen etwa 47 Prozent der weißen Jugendlichen eine Hochschule, aber nur 12 Prozent der nicht-weißen.
Viele nicht-weiße Eltern können sich eine höhere Ausbildung ihrer Kinder nicht leisten. Geld hätte aus dem Restitutionsfonds der Wahrheitskommission (TRC) kommen sollen. Die TRC, die in Südafrika als einen spezielle Form der Vergangenheitsbewältigung eingerichtet wurde, brachte nicht nur Amnestie für reuige Verbrecher und die Wahrheit über das Verschwinden vieler Menschen, sondern sie versprach auch Geld für Opfer des Apartheidregimes. Ein paar haben Übergangsunterstützungen erhalten, einige tausend SüdafrikanerInnen warten jedoch noch immer auf die Reparationszahlungen. Im Juni hat deshalb eine Opfergruppe eine Klage gegen der Vorsitzenden der Kommission, Bischof Desmond Tutu, eingebracht.
Aber auch Südafrika selbst hat nun zusammen mit dem US-Anwalt Ed Fagan angekündigt, eine Sammelklage u. a. gegen deutsche Banken, IBM und Schweizer Unternehmen zu starten, da diese das Apartheidregime unterstützt hätten.
Geld könnte die Vergangenheit Südafrika auch durch neue Touristenattraktionen einbringen. Rechtzeitig vor dem UN Gipfel wurde in Johannesburg ein Apartheidmuseum eröffnet. Die Landaufteilung
Während der Apartheid gehörte 13 Prozent der Bevölkerung, der Anteil der Weißen, 87 Prozent des Landbesitzes. Seit 1994 wird nun versucht, das Land neu zu verteilen. Sowohl Nelson Mandela, als auch der jetzige Präsident Thabo Mbeki haben jedoch immer betont, dass es keine Vertreibungen wie in Simbabwe geben werde. Das Land werde teilweise von der Regierung zurückgekauft und dann an schwarze Farmer vergeben.
In den letzten Wochen nahmen jedoch Proteste von landlosen Schwarzen immer mehr zu. Sie fordern eine raschere Neuverteilung. Die Partei Pan African Congress (PAC) hat angekündigt, während des Earth Summit Proteste gegen die Landpolitik der Regierung abzuhalten.
Mit HI-Virus geboren
Eines der größten Probleme des nach-Apartheid Südafrika, ist die wachsende Zahl der Aidstoten und an HIV Erkrankten. An die 100.000 Babys werden in Südafrika pro Jahr HIV-positiv geboren. Das Land hat die höchste Rate HIV-Positiver der Welt - einer von neun ist infiziert. Die Regierung unter Thabo Mbeki geriet seit letztem Jahr immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik, weil sie das Medikament Nevirapin, das die Übertragung des HI-Virus von der Mutter auf das ungeborene Kind verhindern soll, nicht an öffentlichen Spitälern ausgeben wollte. Präsident Mbeki selbst hatte kurz nach seinem Amtsantritt sogar geleugnet, dass es zwischen dem HI-Virus und Aids eine Verbindung gibt.
Im Juli bestimmte dann der Oberste Gerichtshof, dass die Regierung Nevirapin verteilen muss, doch bis jetzt hat sich nur eine von neun Provinzen an das Gerichtsurteil gehalten. Die Regierung besteht weiterhin darauf, zuerst die Auswirkungen des Medikaments weiter zu testen. Trotzdem gilt Thabo Mbeki als wahrscheinlichster Kandidat für die nächsten Präsidentenwahlen 2004.
Zu Beginn des Jahres betonte der Präsident, dass der erste große Gipfel nach der Schaffung der Afrikanischen Union in Südafrika stattfinden werde. "Das demonstriert das Vertrauen des Rests der Welt in unser Land, in unsere Menschen." Die Gesamtkosten des Gipfels werden auf etwa 50 Mills. Euro geschätzt. Das meiste davon kommt von privaten Spender, Firmen und der Regierung.