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Arme Länder reicher machen und gleichzeitig die Umwelt nachhaltig schützen.
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Wie bei jedem großen Gipfel in den letzten Jahren, stand auch am Anfang des World Summit for Sustainable Development in Johannesburg, Südafrika, eine Reihe guter Vorsätze. Zehn Tage später liegt ein Abschlussdokument vor, dass zwar ein paar neue Ziele, aber wenig Konkretes zu deren Umsetzung beinhaltet. Besonders enttäuscht sind NGOs und Umweltschützer über den Energie-Kompromiss. Lichtblicke waren das Abkommen zum Schutz der Meere und die Zustimmung Russlands, Chinas und möglicherweise Kanadas zum Kyoto-Protokoll. Die USA blieben bei ihrem Standpunkt.
Kurz vor der endgültigen Formulierung des "Aktionsplanes" mussten die Minister in Johannesburg unerwartet noch eine Marathonsitzung zum Thema Gesundheit und Frauenrechte einlegen.
Die Themen Beschneidung und Abtreibung hatten zu heftigen Debatten zwischen den Delegierten geführt. Die EU und andere Staaten hatten im Paragraphen über die Gesundheitsvorsorge für Frauen eine Erwähnung der Menschenrechte gefordert. Die USA stimmte, diesmal mit Unterstützung des Vatikan, dagegen da sie einen Freibrief für Abtreibungen befürchtete. Die endgültige Formulierung wurde von Südafrikas Außenministerin Nkosazana Dlamini-Zuma verfasst und beinhaltet Gesundheitsvorsorge in Übereinstimmung mit "Menschenrechten und fundamentalen Freiheiten".
Kritik: "Aktionsplan" ohne konkrete Ziele
190 von 195 Staaten der Welt haben an dem Gipfel teilgenommen - nur der Tschad, San Marino, St. Vincent und die Grenadinen, Nauru und Turkmenistan fehlten. Ziel war es, einen "Aktionsplan" auszuarbeiten, der eine Verringerung der Kluft zwischen arm und reich garantiert ohne jedoch die Umwelt dabei weiter zu schädigen. Weiters sollten Ziele früherer Konferenzen umgesetzt werden.
Die Abwesenheit des US-Präsidenten George Bush hatte bereits vor Beginn des Gipfels für Enttäuschung und Kritik gesorgt. In seiner Rede in Johannesburg versicherte der US-Außenminister Colin Powell jedoch, dass die USA - obwohl sie das Kyoto-Protokoll nicht ratifizieren werde - zu "konkreten Maßnahmen im Umweltschutz" entschlossen seien. Buhrufe und Parolen wie "Shame on Bush" unterbrachen ihn mehrmals.
"Ich weiß, es gibt diejenigen, die enttäuscht sind", sagte UN-Generalsekretär Kofi Annan. Zwar seien in Johannesburg nicht alle Ziele erreicht worden, "aber ich bin zufrieden mit den Gipfelergebnissen", verteidigte Annan das Treffen.
Doch auch die österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner zeigte sich eher enttäuscht von dem Ergebnis. "Es war nicht zu erwarten, dass hier neue riesige Vereinbarungen getroffen werden", sagte Ferrero-Waldner. "Zehn Jahre nach Rio geht es nicht um neue Visionen, sondern um die wirksame Umsetzung." Sie meinte auch, dass Johannesburg gezeigt habe, dass Groß-Konferenzen vielleicht an ihr Limit gekommen seien.
Viel härter fiel die Kritik durch diverse NGOs aus. "Sechs Millionen Menschen wurden hier von den Regierungen verraten", hieß es von Seiten der. "Die Welt wird hier im Stich gelassen", sagten die australischen Grünen. Der Gipfel sei von Anfang an von den Interessen der Wirtschaft und der Industrienationen geleitet worden, kritisierten unter anderen auch diverse österreichische NGOs.
Vor dem 26. August waren sich EU und NGOs einig, dass der Gipfel als gescheitert gelten müsse, wenn die Staaten der Welt in Johannesburg statt konkreter Aktionen nur eine Liste unverbindlicher Ziele beschließen. Der vorliegende 65 Seiten starke "Aktionsplan" ist aber für viele nicht viel mehr.
Landwirtschaft und Handel
Ein großes Anliegen der Entwicklungsländer war die Kürzung der Subventionierungen im Agrarbereich in den Industriestaaten. Vor allem Länder mit einem hohen Anteil landwirtschaftlicher Produktion wie Frankreich oder die USA weigern sich, die Subventionen zu verringern. Im "Aktionsplan" wurde nun nur ein Abkommen gegen umweltschädliche Subventionen, wie Steinkohle, getroffen. In Sachen Agrarsubventionen bleibt es dabei, dass die Welthandelsorganisation (WTO) erst bis 2005 eine Entscheidung treffen wird.
In der Diskussion um die Bekämpfung des Hungers in der Welt schien es zunächst so, als könnten Entwicklungsländer gezwungen werden, gentechnisch verändertes Getreide anzunehmen oder keine Hilfslieferungen mehr zu erhalten. Die UNO beschwichtigte aber und sagte, dass Länder die Hilfe benötigten, nicht vor eine solche Wahl gestellt würden.
Ein großer Schritt in Johannesburg war die Gleichstellung internationaler Umweltabkommen mit den Regeln der WTO. Das heißt, dass Umweltgesetzes nicht mehr einfach durch die WTO außer Kraft gesetzt werden können.
Entwicklungshilfe
Als eine Chance für das "Ende der globalen Apartheid" hat Südafrikas Präsident Thabo Mbeki den Gipfel in Johannesburg gesehen. Das Schlussdokument "drängt" Industrieländer zu "konkreten Anstrengungen", ihre Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes zu erhöhen. Diese Aufforderung gab es bereits 1992 in Rio und davor 1970.
Energie
Die EU habe sich in der Energiefrage "über den Tisch ziehen" lassen, kritisierten diverse NGOs die Union hatte gefordert, dass der Anteil alternativer Energien weltweit 15 Prozent der Gesamterzeugung betragen soll. Die USA und die Erdöl fördernden Staaten legten sich quer, so dass im "Aktionsplan" nun keine konkreten Ziele vorhanden sind. Grünparteien vor allem in den USA, Europa und Australien sehen diesen Kompromiss als große Enttäuschung.
Wasser und sanitäre Anlagen
Eine große Herausforderung war das Trinkwasserproblem. Die USA widersetzten sich der Forderung, dass sich die Staaten verpflichten sollten, ausreichend Sanitäranlagen zur Verfügung zu stellen. Einig war man über das Ziel, das schon beim Millenniumsgipfel in New York verankert worden war, dass bis 2015 der Anteil der Menschen ohne sicheren Zugang - derzeit etwa eine Milliarde - zu sauberem Trinkwasser halbiert werden soll.
Artenvielfalt
Als "echten Erfolg" bezeichnete Gerald Dick vom WWF das Abkommen zum Schutz der Meere. Bis 2015 sollen "wenn immer möglich" reduzierte Fischbestände wieder auf ihren ursprünglichen Stand gebracht werden. Die Geschwindigkeit des Artensterbens soll bis 2010 "deutlich reduziert" werden. Einig war man sich in Johannesburg auch, dass die negativen Auswirkungen von Chemikalien bis 2020 minimiert werden sollen.
Neue Partnerschaften und konkrete Vorschläge
Ungewöhnlich war der Appell einiger Großkonzerne, die gemeinsam mit Greenpeace auf die Ratifizierung des Kyoto-Abkommens "angesichts der schweren Risiken durch Klimaveränderungen" drängten. Viele Unternehmen beteiligen sich auch an den sogenannten "Typ 2" Partnerschaften, die Länder oder Ländergruppen beim Gipfel vorlegten. Diese Initiativen enthalten konkretere Vorschläge als der Aktionsplan und könnten dadurch auch erfolgreicher sein.
Die EU legte konkrete Projekte zur Förderung alternativer Energien vor, da ihr die Formulierung im "Aktionsplan" nicht weit genug geht. Auch die USA präsentierten diverse Projekte von Entwicklungshilfe über Artenschutz. Als vielversprechender gelten jedoch kleine konkrete Abkommen. So haben etwa die südafrikanischen Länder ein Wasserabkommen geschlossen, durch das sie in Zukunft Dammbau- und Bewässerungsprojekte abstimmen wollen. Indonesien und Japan schlossen sich zum Schutz der indonesischen Wälder zusammen.
Trotz vieler kritischer Stimmen und Enttäuschungen sehen einige Delegierte doch einen gewissen Erfolg des Gipfels. Zum ersten Mal sei in der Frage der Armut nicht nur über die steigende Bevölkerungszahl sondern über vielfältigere Ursachen und deren Bekämpfung gesprochen worden. Der frühere südafrikanische Präsident Nelson Mandela bedauerte jedoch, dass das Thema Aids beim Gipfel kaum zur Sprache gekommen sei. Ohne die Bekämpfung dieser Epidemie sei das Nachdenken über nachhaltige Entwicklungen sinnlos.