Kryptowährungsexperte Timo Emden über die angeblich geplante Schaffung einer Facebook Coin.
Menlo Park/Wien. Facebook bastelt an einer eigenen Kryptowährung. Das berichtete der US-Wirtschaftsnachrichtendienst "Bloomberg" unter Berufung auf Unternehmensinsider. Überweisungen per WhatsApp könnten somit schon bald Realität sein. Das System, das Facebook dabei nutzen will, heißt Stablecoin. Es fußt auf einer Technologie wie Bitcoin & Co., ist aber an einen festen Wechselkurs zu einer Währung wie beispielsweise den US-Dollar gebunden. Dadurch werden die bei anderen Kryptowährungen gefürchteten wie beliebten Kursschwankungen vermieden. Die "Wiener Zeitung" hat mit dem Experten Timo Emden über die Erfolgschancen eines solchen Unterfangens gesprochen.
"Wiener Zeitung":Wie schätzen Sie die Chancen einer Kryptowährung von Facebook ein?
Timo Emden: Ich schätze die Chancen recht gut ein. Denn Stablecoins könnten in der kommenden Zeit sehr gefragt sein. Die Kurse der Kryptowährungen sinken derzeit stetig. Bitcoin ist am Fallen und ein Ende scheint nicht in Sicht, auch wenn es letzte Woche eine leichte Erholung gab. Die bekannteste Stablecoin - Tether - steht wiederum ein wenig in Verdacht, nicht ganz sauber zu arbeiten. Das Unternehmen dahinter scheint nicht ganz transparent zu sein und lässt sich nicht gerne in die Bücher schauen. Es bestehen Zweifel daran, dass Tether tatsächlich die US-Dollar besitzt, die am Markt sind. Diese Unsicherheit könnte Facebook versuchen auszunützen. Denn der Markt für Kryptowährungen ist vorhanden.
Was könnte das Unternehmen besser machen als die Kryptowährungen bisher?
Es wird viel darum gehen, Vertrauen zu schaffen.
Vertrauen? Bei Facebook?
Natürlich kann man die Frage stellen, ob das Vertrauen letztlich geschaffen werden kann. Vor allem nach den negativen Berichten über Facebook in Sachen Datenschutz. Aber Facebook ist nicht irgendwer. Es ist finanziell mächtig und hat ein starkes Auftreten. Jeder Mensch auf der Welt kennt Facebook. Das sollte eigentlich Vertrauen bringen. Letztlich geht es darum, glaubhaft zu vermitteln, dass man sicher sein kann, dass man sein gegen Stablecoins eingetauschtes Geld am Ende des Tages wiederbekommt.
Könnte das den weltweiten Zahlungsverkehr revolutionieren: Ich kaufe am anderen Ende der Welt ein und überweise per WhatsApp ohne Provision und Gebühren in Dollar eintauschbare Coins?
Es gibt hier noch zu viele Unbekannte, um das sagen zu können. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Facebook das gratis machen wird. Immerhin ist das WhatsApp-Netzwerk sehr groß (1,2 Milliarden Menschen nutzen die App weltweit, Anm.). Ich halte es schon für möglich, dass das Ganze eines Tages in Richtung eines weltweiten Zahlungsnetzwerks wie Visa oder Mastercard gehen könnte.
Wie könnte man bei Facebook auf die Idee gekommen sein, in Kryptowährungen einzusteigen?
Das ist spekulativ und es gibt sicher viele Möglichkeiten. Facebook hat sich letztlich auch nicht dazu geäußert. Aber das Unternehmen hat rückläufige Nutzerzahlen. Es ist denkbar, dass man versucht, neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Woher rührt eigentlich diese Nachfrage nach Stablecoins? Brasilien hat ja auch schon angekündigt, eigene Stablecoins einzuführen.
Als Land kann man versuchen, sich so von Fremdwährungen zu emanzipieren. Im Fall von Venezuela haben wir gesehen, dass das Land versucht hat, sich vom US-Dollar unabhängig zu machen. Man hat dort den Petro Coin eingeführt, mit einem Barrel Rohöl als Basis. Das war nur eben kein Erfolg, weil das Vertrauen fehlte. Da hilft auch keine Deckelung mit Rohöl. Bei Facebook ist das etwas anderes.
Könnte es auch passieren, dass Stablecoins die Währung eines Krisenlandes verdrängen?
Das ist durchaus möglich und passiert auch schon. Gerade in Venezuela ist die Nachfrage nach Kryptowährung gestiegen. Das ist eine Flucht aus dem System, in dem gefangen ist. Wenn man dann noch eine Wechselkurssicherheit durch ein System wie Facebook hat, könnte das schon groß werden.
Facebook steht also vor dem großen Durchbruch als weltweite Referenzwährung?
Man sollte den Tag nicht vor dem Abend loben. Nur weil es gut aussieht, heißt das noch nicht, dass es auch funktioniert.
Bis auf zwei Ausnahmen sind die großen Stablecoin-Währungen mit dem US-Dollar gekoppelt. Wie sehr kann das den Dollar stärken?
Grundsätzlich sollte es eine Währung stärken, wenn in ihr Geld geparkt wird, aber wenn man sich den weltweiten Kryptowährungsmarkt ansieht, dann sprechen wir von 128 Milliarden US-Dollar. Der Markt ist zu klein, um eine Auswirkung auf den US-Dollar zu haben.
Timo Emden ist Marktanalyst und widmet sich mit seiner Firma Emden Research den globalen Finanzmärkten mit Fokus auf Kryptowährungen.