Wenn in Vorarlberg tatsächlich einige Minarette eine "Provokation" darstellen und "den sozialen Frieden gefährden" (Zitat Bischof Elmar Fischer), dann heißt das wohl, dass in Österreichs wildem Westen ethnisierte Konflikte ausgebrochen wären, die jederzeit zum Bürgerkrieg führen könnten.
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Und zwar zwischen den in der Religionsgemeinde der "Islamischen Glaubensgemeinschaft" unter ihrem Milli-Görüs-Funktionär Abdi Tasdögen und den erzkonservativen Katholiken unter Bischof Elmar Fischer. Sollten die Verteidiger des Abendlandes in diesem blutigen Konflikt dann zu unterliegen drohen, könnte der mittlerweile in St. Pölten residierende Vorgänger Fischers eine Entsatzarmee des Opus Dei ins Ländle schicken.
Immerhin hält der christliche Bruder aus dem einen christlichsozialen Bundesland dem Bruder aus dem anderen ebenso schwarzen Ländle bereits verbal kräftig die Stange. Und als Begründung für die christliche Intoleranz muss denn auch ihr islamisches Pendant herhalten. Da es in einer Reihe von islamischen Staaten mit der Religionsfreiheit nicht weit her ist und, wie Bischof Küng anmerkt, diese "zum Teil sogar jeden christlichen Gottesdienst verbieten" - etwas was in der Realität allerdings ausschließlich im wahabitischen Terrorstaat Saudi-Arabien der Fall ist -, fordert er nun die Muslime in Österreich dazu auf, freiwillig auf den Bau von Moscheen zu verzichten.
Die Logik dahinter ist geradezu bestechend: Wenn Muslime nicht tolerant sind, sind wir es auch nicht. Durch die Hintertüre, so mag manch katholischer Reaktionär hoffen, bekommen wir so doch noch die Werte der Aufklärung zu Fall. Denn Fischer, Küng und Co. machen sich natürlich keine Sorgen um die Inhalte, die von Anhängern der Milli-Görüs-Bewegung oder anderen islamischen Reaktionären und Fundamentalisten verbreitet werden. Diese unterscheiden sich nämlich nur wenig von den eigenen: Das Menschenbild katholischer und islamischer Fundamentalisten ist fast identisch. Männer sollen die Welt regieren und Frauen diese bedienen. Homosexualität ist ein schweres Verbrechen und gehört durch Bestrafung der "Täter" aus der Welt geschafft. Überhaupt stellt Sexualität, die nicht durch religiöse Instanzen - sprich die Ehe - legitimiert ist, ein Grundproblem unserer Gesellschaft dar.
Ein Glück für Atheisten wie mich, dass daraus noch nicht mehr katholische, muslimische oder auch jüdische oder buddhistische Reaktionäre den Schluss gezogen haben, dass sie sich doch ganz gut gegen die dekadenten Gottlosen zusammenschließen könnten und sich vorerst darum streiten, welche Religion denn nun den öffentlichen Raum besetzen darf.
Als überzeugter Ungläubiger fühle ich mich derzeit jedenfalls weder durch Kirchtürme noch durch Minarette bedroht. Sehr wohl aber durch Hassprediger christlicher, muslimischer oder postnationalsozialistischer Provenienz. Zum Glück sehen das auch viele Vorarlberger so.
Thomas Schmidinger ist Lehrbeauftragter am Wiener Institut für Politikwissenschaft und Obmann der im Nahen Osten tätigen Hilfsorganisation Leeza.