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Ein großer Reformwurf

Von WZ-Korrespondent Markus Kauffmann

Analysen

Föderalismusreform in Deutschland: Weniger Blockaden, mehr Wettbewerb. | Nach einem halben Jahrzehnt und im zweiten Anlauf haben sich Christ- und Sozialdemokraten in Deutschland auf eine Föderalismusreform geeinigt. Die tiefgreifendste Verfassungsänderung seit Bestehen des Grundgesetzes soll Kompetenzen zwischen Ländern und Bund klarer abgrenzen.


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Noch sind zwar nicht alle Details bekannt, doch soll die Zahl der "zustimmungspflichtigen Gesetze" von derzeit rund zwei Drittel auf etwa 35 Prozent nahezu halbiert werden.

Auf Druck der Alliierten ist die Autonomie der Bundesländer im Grundgesetz als "Ewigkeitsprinzip" verankert worden, sie kann nicht durch Volksabstimmung oder Verfassungsänderung abgeschafft werden. Damit wollte man allfällige zentralistische Tendenzen eindämmen.

Dem Bundesrat, der Länderkammer, wurde das Recht zugestanden, Gesetze abzulehnen, die Interessen der Länder berühren - sei es auch nur in einem einzigen Paragraphen. Weil aber der Bundestag immer mehr zentralistisch regelte, wuchs der Anteil "zustimmungspflichtiger" Gesetze. (Das Grundgesetz sieht insgesamt über fünfzig solcher Tatbestände vor.)

Wenn nun die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und im Bundesrat diametral gegeneinander stehen, kann es zu lähmenden Blockaden kommen. Dies war sowohl unter Helmut Kohl als auch unter Gerhard Schröder der Fall.

Künftig verzichten die Bundesländer auf zahlreiche Widerspruchstatbestände und räumen dem Bund das alleinige Regelungsrecht ein. Im Gegenzug erhalten sie insgesamt mehr Kompetenzen.

Nach der Reform soll der Bund künftig das Melde- und Ausweiswesen, den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland, das Waffen- und Sprengstoffrecht, die Kriegsopferversorgung und das Atomrecht ganz in seine Zuständigkeit übernehmen, während die Länder ausschließlich für das Versammlungsrecht, das Notariatswesen, den Ladenschluß, das Gaststättenrecht, die Flurbereinigung, das Siedlungs- und Heimstättenwesen und die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse verantwortlich sein sollen.

Im Beamtenrecht und in der Bildungspolitik wurden die Rechte der Länder erheblich gestärkt. Welche unterschiedlichen Auswirkungen dies auf die Arbeitsbedingungen der Landes- und Kommunalbeamten haben wird, bleibt vorerst abzuwarten, denn schon heute gibt es eine Drift qualifizierter Arbeitskräfte in Richtung reicherer Bundesländer. Auch die regionalen Bildungsdifferenzen werden vermutlich steigen.

Sicher werden dadurch gegenseitige Blockaden und Verhinderungsmöglichkeiten eingeschränkt, gleichzeitig aber wird der "solidarische Wettbewerb zwischen den Bundesländern" zunehmen - wie solidarisch der ist, wird sich aber ebenfalls erst zeigen.