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Hat die Europäische Union doch noch den Schlüssel gefunden, um die Schuldenkrise hinter Schloss und Riegel zu bannen? Kommissionspräsident José Manuel Barroso schien am Mittwoch vor Begeisterung kaum zu bremsen. Die EU trete in eine "neue Phase der Integration" ein. Mehr noch: "Das ist genau das, was die Märkte wollen."
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Ach, wirklich? Vielleicht ist das Problem, dass die Kommission schlicht keine Ahnung hat, was "die Märkte" wollen. Dabei ist das, was Anleger wollen, ganz simpel: Sie wollen sichere Investitionen - oder im Gegenzug für hohes Risiko ordentliche Zinsen.
Sind Staatsanleihen der europäischen Problemländer sicher oder nicht? Das traut sich momentan niemand zu beantworten. Noch schlechter als hohes Risiko ist für Anleger aber nur eines: Unsicherheit. Und zur Verwirrung haben Europas Institutionen und die Kernländer rund um Deutschland und Frankreich selbst gehörig beigetragen.
Krise treibt Integration
Seit dem Bekanntwerden von Griechenlands Problemen regiert ein Krisenmanagement by Chaos. Dadurch sind alle bisherigen Hilfszusagen und Beruhigungsversuche verpufft. Besonders die Ankündigung, dass sich Mitte 2013 die Bedingungen für Käufer von Staatsanleihen ändern werden, hat diese restlos verunsichert. Schon jetzt wollen sich Investoren nicht mit Schuldpapieren der Euro-Peripherie die Finger verbrennen. Wer soll dann nach Juni 2013 zugreifen, wenn er mit der Nase direkt auf das Verlust risiko gestoßen wird?
Der Fairness halber sollte erwähnt werden, dass Europa unter dem Druck der Krise tatsächlich schon große Schritte in Richtung stärkerer Integration gemacht hat. Dazu zählen die Hilfskredite für Griechenland und der Euro-Rettungsschirm. Und dazu gehört auch das "Europäische Semester", das nun Barrosos Euphorie entfacht. Damit ist gemeint, dass die EU-Kommission den Ländern künftig im ersten Halbjahr (daher der Name) auf die Finger und in die Budgetpläne für das Folgejahr schaut. Brüssel soll dann mahnend oder koordinierend eingreifen und für eine insgesamt stimmige europäische Wirtschaftspolitik sorgen. Wie? Nach welchen Kriterien? Mit welchen Druckmitteln? All diese zentralen Punkte bleiben vage. Dabei ist schon das für die Union ein gewaltiger Schritt: Die Erstellung der Budgets ist eine heilige Kuh der nationalen Verantwortung.
Das Dilemma: Die Integrationsschritte sind zwar aus Sicht desillusionierter Europapolitiker sensationell. Aus Sicht der Märkte ist das aber zu wenig. Investoren würden gerne stärkere Signale gelebter europäischer Solidarität sehen - und vor allem langfristige Lösungen. Die bisherigen Maßnahmen verlagern die Probleme nur in die Zukunft und folgen dem Motto: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass."
Siehe auch:Euro-Rettungsschirm noch viel größer