Wählen mit 16, Briefwahl, längere Legislaturperiode. | Neu: Passives Wahlrecht mit 18. | Lob und Tadel von Experten. | Wien. Jahrzehntelang blockierten sich Rot und Schwarz in Sachen Wahlrechtsreform gegenseitig. Die SPÖ war nicht bereit den ÖVP-Wunsch nach Einführung eines Briefwahlrechts zu erfüllen, im Gegenzug schaltete die ÖVP beim SPÖ-Verlangen nach Wählen mit 16 auf stur.
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Zumindest in diesem Punkt erfüllte die große Koalition ihr Versprechen, schlechte Gewohnheiten ablegen zu wollen, auf Punkt und Beistrich. Nur kurz verfiel man in den alten Trott, als Teile der SPÖ in den vergangenen Wochen - sehr zum Missfallen der ÖVP - laut darüber nachdachten, Wählen mit 16 noch vor dem Sommer zu beschließen, das Briefwahlrecht jedoch noch ein wenig länger debattieren zu wollen.
Am Mittwoch war das alles vergeben und vergessen, als Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer beim Pressefoyer nach dem Ministerrat einhellig wie selten die Reform "als großen demokratiepolitischen Schritt nach vorn" lobten. Die Regierungsvorlage sieht neben der Senkung des Wahlalters die Einführung der Briefwahl sowie die Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre vor. Das aktive Wahlalter auf Bundesebene liegt damit künftig bei 16 Jahren, das passive wurde auf 18 Jahre gesenkt. Im Parlament soll das Paket noch vor dem Sommer beschlossen werden.
Grüne und FPÖ begrüßten die Wahlaltersenkung, die Blauen befürchten aber bei der Briefwahl eine "parteipolitisch motivierte Aushöhlung des Wahlgeheimnisses". Das BZÖ forderte auf Grund der längeren Legislaturperiode mehr Mitspracherechte für die Bevölkerung.
Kritik am bundesweiten Wählen mit 16 kam dagegen vom Innsbrucker Politologen Fritz Plasser. Österreich begebe sich damit in eine Vorreiterrolle, von der noch niemand sagen könne, ob sie schließlich zum Erfolgsmodell werde. Er vermisse eine ausführliche Debatte über Vor- und Nachteile. Plasser bedauerte, dass im Zuge der Reform nicht auch die Möglichkeit geschaffen wurde, vor dem Wahltag die Stimme abzugeben ("early voting"). Dies habe sich in zahlreichen Ländern positiv auf die Wahlbeteiligung ausgewirkt.