Teheran wird zwei Drittel seiner Zentrifugen abschalten, dafür will der Westen seine Sanktionen ruhen lassen.
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Lausanne/Wien. Es gibt ihn nun tatsächlich, den historischen Durchbruch im Atomstreit. Eine Übereinkunft über die Zentrifugenzahl, den umstrittenen Schwerwasserreaktor in Arak und die Urananreicherung ist am Donnerstagabend von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und dem iranischen Außenminister Mohammad Javad Zarif in Lausanne präsentiert worden. Die Sanktionen gegen Teheran sollen ruhen und suspendiert werden, wenn sich der Iran an die vereinbarten Eckpunkte hält. Bis Ende Juni, dem Ablauf der endgültigen Deadline, soll ein finaler Vertrag ausformuliert werden.
Lob von fast allen Seiten
Nach neun Tagen und mehr als 140 Stunden an Marathonverhandlungen in der Schweiz waren sowohl die Journalisten als auch die Verhandler bereits am Ende ihrer Kräfte angelangt. Gerüchte über ein Scheitern der Atomgespräche machten am Donnerstagnachmittag die Runde, nachdem man sich bereits im zweiten Verhandlungstag nach der Deadline am 31. März befand und die Ergebnisse auf sich warten ließen. Doch gegen 17 Uhr kam dann die Erlösung: Die Pressevertreter sollen sich sofort zu einer Pressekonferenz begeben, so die Aufforderung eines EU-Sprechers. Dann folgten vielversprechende Meldungen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Von "gefundenen Lösungen" bis hin zu "guten Neuigkeiten" war seitens der Verhandler die Rede.
Tatsächlich sind die Ergebnisse viel konkreter als das im Vorfeld angenommen wurden. Der Rahmen-Deal sieht vor, dass mehr als zwei Drittel der gegenwärtigen Kapazität des Iran zur Urananreicherung auf Eis gelegt werden. Dies soll zehn Jahre lang überwacht werden. Das meiste angereicherte Uran soll eingefroren oder ins Ausland gebracht werden. Außerdem wird der Westen den Iran beim Bau eines modernen Schwerwasserreaktors in Arak unterstützen und so verhindern, dass dort atomwaffenfähiges Material anfällt. Teherans Führung soll weiters die Uran-Anreicherung in Natanz fortsetzen dürfen, aber nicht in Fordow. Letztlich wird der Iran die Zahl seiner Gasultrazentrifugen zur Anreicherung von Uran nach US-Angaben von derzeit 19.000 auf 6104 reduzieren und mindestens 15 Jahre lang kein Uran über 3,67 Prozent anreichern. Von der Höhe der Anreicherung hängt ab, ob das Uran zum Bau einer Atomwaffe verwendet werden kann.
Nun haben die fünf UN-Vetomächte plus Deutschland bis Anfang Juli Zeit, einen finalen Deal mit allen technischen Details auszuformulieren. Die Freude über die Einigung war den Verhandlern anzusehen. Zarif sprach von "guten Lösungen", sein US-Kollege John Kerry lobte den "großen Tag".
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die Grundsatz-Einigung ebenfalls. "Damit sind wir einer Vereinbarung, die dem Iran den Besitz von Atomwaffen unmöglich macht, so nah wie nie", sagt die Bundeskanzlerin. US-Präsident Barack Obama bezeichnete den Durchbruch als historisch und versuchte in einer eilig einberufenen TV-Ansprache die vielen Skeptiker wie Israel, den von Republikanern dominierten US-Kongress und die sunnitischen Golfmonarchien zu beruhigen. Das Abkommen sei der beste Weg, um zu verhindern, dass der Iran heimlich an einer Bombe baue. Dies mache die Welt sicherer. Der britische Außenminister Philip Hammond sprach von einer guten Grundlage für ein möglicherweise "sehr gutes Abkommen". Freude gab es auch bei Irans Präsident Hassan Rohani, der versprach, dass die Arbeit an einem finalen Deal sofort beginnen würde.
Kritik aus Israel
Wenig Freude mit dem überraschenden Ergebnis hatte Israel: Premier Benjamin Netanjahu forderte sofort nach Bekanntwerden des Durchbruchs eine "deutliche Verringerung" der nuklearen Fähigkeiten des Iran. Jedes Abkommen müsse auch den iranischen "Terrorismus und seine Aggressionen stoppen". Sein Wirtschaftsminister Naftali Bennett kritisierte die Grundsatzeinigung noch schärfer. Sein ironischer Kommentar auf Twitter lautete: "Frieden in unserer Zeit, 2015. Das radikalste islamische Terror-Regime der Welt bekommt ein offizielles Koscher-Zertifikat für sein illegales Atomprogramm."
Die Diplomaten, die an den Verhandlungen teilgenommen haben, denken hingegen schon jetzt an die Mühen der Ebene. "Nun ist das Gerüst für das Haus, auf das wir seit zwölf Jahren warten, endlich einmal gebaut. Jetzt beginnen die Knochenarbeit und die Details. Die müssen wir bis Ende Juni bewältigen und glauben Sie mir, das wird kein Honiglecken", meinte ein mit den Verhandlungen vertrauter Diplomat am Donnerstagabend gegenüber der "Wiener Zeitung".