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Ein grüner Prinzipienprotest

Von Jan Michael Marchart

Politik

Am Samstag stimmen die Grünen über den Koalitionspakt ab. Es wird Kritik geben. Beschlossen wird er wohl trotzdem.


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Der grüne Protest wird sich wahrscheinlich nicht in jener Stärke entladen, wie es im Moment den Anschein hat. Aber bei so manchen Mitgliedern aus der Basis des Juniorpartners herrscht dicke Luft vor der statutarischen Abstimmung des grünen Bundeskongresses am Samstag in Salzburg über den türkis-grünen Koalitionspakt.

Einerseits geht es namhaften Delegierten wie dem Tiroler Landtagsabgeordneten Michael Mingler einmal um Formales: Nach der Präsentation am späten Donnerstagnachmittag bleibt den 276 Delegierten nur wenig Zeit, um das mehr als 300 Seiten starke Konvolut zu studieren, bevor der erweiterte Bundesvorstand am Freitag und der Bundeskongress am Samstag darüber abstimmen.

Die Spitze der Grünen versteht den Unmut der Basis. Aber ob der Bundeskongress jetzt oder in zwei Wochen angesetzt worden wäre: Die Zeitspanne, in der man sich in das Regierungsprogramm einlesen kann, wäre zu einem späteren Zeitpunkt aus grüner Sicht nicht länger geworden. Der Grund: Bis zum Schluss versuchten die Verhandler, da und dort noch etwas für sich herauszuholen. Die Dokumente etwa eine Woche vorab an die Delegierten zu versenden, das wäre daher soundso nicht passiert, so die Erklärung.

Die "Basis", die nurzum Teil eine Basis ist

Andererseits hat die Kritik auch inhaltliche Gründe. Vor allem mit den grünen Zugeständnissen für eine harte ÖVP-Migrationspolitik hat die grüne Basis logischerweise keine Freude.

Bis vor kurzem stellten sich die Grünen noch klar gegen Kopftuchverbot und Sicherungshaft. Nun sind sie Teil des Programms, die Innen- und Integrationsagenden sind fest in türkiser Hand. Für Irritationen sorgt auch, dass die Arbeitsmarktkompetenzen vom Sozial- ins Wirtschaftsministerium verlagert werden sollen. Eine "Kostenwahrheit" für CO2-Emissionen, die den Grünen ein großes Anliegen war, bleibt im Programm sehr vage und soll schrittweise bis 2022 erfolgen. Besser Kompromisse als eine Alleinmacht oder Koalitionskonstellation der ÖVP mit den Freiheitlichen, hörte man bereits im Vorfeld der Programmpräsentation aus dem grünen Spitzenzirkel. Die Koalition mit der ÖVP sei ein Kräftemessen, das werde es auch bleiben.

Grünen-Chef Werner Kogler versuchte schon in der Einladung zum Bundeskongress zu kalmieren: "Demokratie heißt auch, Kompromisse nicht zu denunzieren." Die grüne Klubvizechefin Sigrid Maurer stimmte die Basis im Ö1-"Morgenjournal" ein: "Es werden auch Punkte sein, die natürlich für die grüne Basis neu, ungewohnt und auch schmerzhaft sein werden." Es sei aber auch für die ÖVP sehr vieles schmerzhaft.

Dass die grüne Basis den Koalitionspakt kippt, davon gehen selbst Kritiker nicht aus. Auch weil im Umwelt- und Infrastrukturbereich aus ihrer Sicht wirklich etwas weitergeht. Die Frage sei aber, wie "groß" oder "klein" die Mehrheit sein wird.

"Basis" ist bei den Grünen aber ein relativer Begriff. Der Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik weist darauf hin, dass rund ein Drittel - also 88 der 276 Delegierten beim Bundeskongress - ein Amt in der Partei (Nationalrat, Bundesrat, Landtag, Europaparlament) inne- und zum Teil auch den Koalitionsvertrag mitverhandelt hat. Daher hält es Ennser-Jedenastik für plausibel, dass unter diesen 88 Delegierten die Zustimmung hoch sein wird. Parteiintern will man sich nicht festlegen, dass wirklich alle Abgeordneten hinter dem Programm stehen. Die Abstimmung erfolgt zudem anonym.

Vizeklubchefin Maurer geht einmal davon aus, dass der Koalitionsvertrag die Erwartungen erfüllen werde. Die steirische Landespartei erwartet ein "grünes Licht" am Wochenende. Landessprecher Lambert Schönleitner und Landtagsklubobfrau Sandra Krautwaschl betonten - wie auch sonst alle Grünen in den vergangenen Tagen - vor allem den eigenen Part in der Koalition: Klimaschutz und Transparenz. Der Migrationskurs liegt offenbar auch verbal vorerst klar bei der ÖVP.