Für die Regierungsmitglieder könnte beim Parteitag eine Debatte um deutsche Waffenexporte unangenehm werden.
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Uneingeschränkt stehen die deutschen Grünen hinter der Ukraine. Zur Verdeutlichung hängt an der Bundesgeschäftsstelle in einem Berliner Altbau über zwei Stockwerke gespannt die blau-gelbe Flagge. "Allen Menschen, die unter der Aggression Putins leiden, ob in Russland oder der Ukraine, in Georgien oder in Moldau, sage ich: Wir lassen euch nicht allein. Wir stehen fest an eurer Seite", verkündet Parteivorsitzender Omid Nouripour.
Für die deutschen Grünen bedeutet der russische Angriffskrieg aber auch, dass teils jahrzehntelange Positionen der Partei infrage gestellt oder sogar geräumt worden sind. Drei Tage nach dem von Wladimir Putin befehligten Angriff verkündete Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) die "Zeitenwende" in der Bundesrepublik und damit auch ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr.
Kein Dissens mit der Friedensbewegung
Obwohl die Grünen in der Friedensbewegung wurzeln, blieb der parteiinterne Protest gegen die Aufrüstung bescheiden. Das ist nicht der Koalitionsräson aus dem Bündnis mit SPD und FDP geschuldet, sondern der pragmatischen Neupositionierung unter den früheren Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck. Beim Parteitag, der bis Sonntag in Bonn stattfindet, sind dementsprechend keine Grundsatzdiskussionen über Krieg und Frieden zu erwarten.
Es wird auch kaum daran erinnert werden, dass sich die zur Außenministerin aufgestiegene Baerbock einst weigerte, mehr als Helme und zivile Unterstützung bereitzustellen. Und dass Habeck gescholten wurde, als er im Sommer 2021 laut darüber nachdachte, ob die Ukraine defensive Waffen aus Deutschland erhalten soll.
Nachdem die Ukraine nicht wie im politischen Berlin allseits erwartet im Februar binnen Stunden überrannt worden ist, kippte die Stimmungslage: Wiederholt haben Grüne im Verbund mit der FDP öffentlich Druck auf Kanzler Scholz ausgeübt, schwere Waffen in das Kriegsgebiet zu liefern. Bisher letzter Akt: Diese Woche wurde bekannt, dass ein Luftabwehrsystem des deutschen Herstellers Diehl Defence in der Ukraine eingetroffen ist. Zivile Ziele, die Russland nun noch stärker in Beschuss nimmt, sollen dadurch besser geschützt werden.
Bemerkenswert für eine deutsche Regierung, die sich aufgrund der NS-Geschichte mit ihrer Rolle als sanfter, wirtschaftlicher Riese begnügte: Die - geleistete und versprochene - militärische Hilfe an die Ukraine übersteigt laut Daten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft mit 1,2 Milliarden Euro die finanziellen als auch humanitären Zahlungen.
"Autokraten entschieden begegnen"
Wenn am Samstag beim Parteitag die Debatte über "Friedens- und Sicherheitspolitik in der Zeitenwende" ansteht, könnte dem grünen Bundesvorstand dennoch eine unangenehme Diskussion drohen. Im Unterpunkt "Autokraten entschieden begegnen" heißt es, von diesen Staaten "gehen weltweit Gefahren für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie aus". Allerdings hat das vom Grünen Habeck geleitete Wirtschaftsministerium den Export von Ausrüstung und Munition für zwei Kampfjet-Typen nach Saudi-Arabien bewilligt, wie Ende September bekannt wurde. Dabei gilt seit 2018 ein direktes Exportverbot von Waffen an das Land, das im Jemen gegen die Huthi-Milizen kämpft und für den Mord an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi verantwortlich gemacht wird. Bei länderübergreifenden Rüstungsprojekten, in diesem Fall operiert Deutschland und anderem mit Großbritannien und Italien, ist das Exportverbot jedoch aufgeweicht. Grüne, von der Basis bis zu EU-Abgeordneten, protestierten vor dem Parteitag gegen die Ausfuhr.
Die sanfte Linie gegenüber Saudi-Arabien ist auch im Lichte der Energiekrise zu sehen. Deutschland sucht nach Alternativen für russisches Öl und Gas, Kanzler Scholz machte kürzlich dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman die Aufwartung - dem mutmaßlichen Auftraggeber des Attentats auf Khashoggi. Die Bundesrepublik werde bei Rohstoffen auch auf autokratische Staaten zurückgreifen müssen, gestand Habeck ein.
Rote Linie bei Atomkraftwerken
Die aus der Umweltbewegung entstandenen Grünen sahen - aus Russland geliefertes - Gas als "Brückentechnologie" für die Energiewende an. Dieser Plan ist mit Putins Krieg hinfällig geworden, Deutschland muss nun auf seine Reserven zurückgreifen. Seit Anfang Oktober sind zwölf Kohlekraftwerke zusätzlich in Betrieb. Dennoch soll zumindest im rheinischen Revier das letzte Braunkohlekraftwerk im Jahr 2030 statt 2038 stillgelegt werden, verkündeten Betreiber RWE und Habeck.
Während sich die Grünen bei Kohle kompromissbereit zeigen, ziehen sie bei der Atomkraft eine rote Linie. Den Kauf neuer Brennstäbe werde es nicht geben, legte sich Parteichefin Ricarda Lang am Freitag fest. Hintergrund ist der sogenannte Streckbetrieb bei zwei der drei noch laufenden Kernkraftwerke Deutschlands. Isar II und Neckarwestheim bleiben als Reserve bis zum Frühjahr 2023 am Netz. Koalitionspartner FDP fordert den Weiterbetrieb aller drei AKW bis zum Jahr 2024 und ist in dieser Frage bisher ebenso wenig kompromissbereit wie die Grünen. Eine Partei wird früher oder später nachgeben müssen.