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Ein "Gurkerl" für Privatsender ATV: Die Verlierer könnten die Klubs sein

Von Bernhard Baumgartner

Analysen

"Sittenwidrig", "Amoklauf", "Dreistigkeit" - die Wortmeldungen, die nach dem Fußball-Coup des neuen ORF-Chefs Alexander Wrabetz durch die Luft schwirren, schrammen hart an der Grenze der Jugendfreiheit vorbei. Was ist passiert? Premiere, das die Übertragungsrechte an der österreichischen Fußball-Bundesliga besitzt, hat seinem Partner ATV, sozusagen mitten im Spiel, den Laufpass gegeben. Ab sofort überträgt der ORF wieder die Sonntagsspiele. Und ATV steht im Abseits und reklamiert Foulspiel.


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Dabei sind bei nüchterner Betrachtung die gegenseitigen Schuldzuweisungen entbehrlich. Denn der Grund, warum die TV-Rechte, die ATV gekauft hat, faktisch entwertet wurden, ist weder beim ORF noch bei Premiere zu suchen, sondern in der österreichischen Rechtsprechung. Immerhin hat der Bundeskommunikationssenat (in Vollziehung der Gesetze) dem ORF das Recht auf eine sehr umfangreiche Kurzberichterstattung zugesprochen, die noch dazu möglich war, bevor ATV mit den Bildern auf Sendung durfte. Damit verlor das Investment von ATV natürlich wirtschaftlich und journalistisch jeden Sinn. Beschwerden sind daher nicht an die anderen Player im TV-Markt, sondern wenn überhaupt an den Gesetzgeber zu richten.

Und ATV tat aus seiner Sicht das Richtige: Man änderte die Strategie und drängte den Fußball im Umfang und bei der Platzierung im Programm zurück. Wenn man ehrlich ist, hat das runde Leder ohnehin nie zu ATV gepasst. Da scheint das Konzept, den Sender mit guten Filmrechten als jungen, dynamischen Fictionsender mit frechen Eigenproduktionen zu positionieren, schon interessanter. Insoferne passt der (noch dazu marode) heimische Fußball genauso wenig zu ATV, wie er auf Pro7 oder Vox passen würde.

ATV hat zudem auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass Fußball seit dem Urteil nicht mehr interessant ist. Eindeutig wurde das etwa im Sommer, als man sich mit einer flächendeckenden Plakatkampagne als Alternativsender zur WM anpries. Sich jetzt aufzuregen, dass sich der Fußball-Partner einen anderen Sender sucht, der sein Desinteresse an dem beliebten Sport nicht großflächig plakatiert, ist müßig.

Auch aus Sicht von Premiere kann sich das 42-Millionen-Euro-Paket, das man für drei Jahre Bundesliga von 2004 bis 2007 gekauft hat, nicht rentiert haben. Zwar stiegen die Abo-Zahlen des Bezahlsenders, aber der große Run hunderttausender Fußballfans auf die Abos blieb aus. Es ist eben ein Unterschied, ob man deutschen Top-Fußball einkauft (der auch sportlich ein Premiumprodukt darstellt) oder das, was die heimischen Kicker unter Spitzensport verstehen.

Was die Kooperation der beiden Großen für die Neuvergabe der Fußball-Rechte 2007 bedeutet, ist unklar. Dass es dann eine grundsätzliche Einigung zwischen ORF und Premiere gibt, ist aber wahrscheinlich. Die Zeit der fetten Lizenzgebühren für die Klubs könnte damit vorbei sein.