Bei Roulette und Spielautomaten ist der Faktor Glück unbestritten. | Bridge, Schnapsen und Tarock sind laut VwGH Geschicklichkeitsspiele. | Bei Poker kommt es auf die Spielvariante an. | Wien. Als der Engländer John Young am 19. August 2006 nach seinem Sieg bei der ersten Weltmeisterschaft im Strip-Poker aus Solidarität mit seinen geschlagenen Mitspielern die Unterhose auszog, war das nur ein skurriler Ausläufer eines Trends, der seit einiger Zeit immer mehr Europäer erfasst: Poker ist zum neuen Modesport geworden.
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Knapp ein Jahr nach Youngs Strip vor laufenden Kameras ist der Poker-Boom ungebrochen, haben Live-Übertragungen großer Turniere im TV regelmäßig Spitzenquoten. Auch in Österreich wird mittlerweile gepokert, was das Zeug hält - wenn auch meistens die Hüllen oben bleiben. Schließlich gilt es in den heimischen Casinos die Regeln des Anstands zu beachten.
Was das Glücksspielgesetz betrifft, so sehen das die Beteiligten, die teilweise um hohe Beträge spielen, hingegen oft weit weniger eng. Immer mehr Spielstätten, die auch Poker im Programm haben, schießen wie Schwammerl aus dem Boden - auch wenn sie sich damit in Konflikt mit dem Gesetz begeben.
Denn in Österreich herrscht ein staatliches Glücksspielmonopol. "Und das besagt genau genommen, dass es eigentlich nur zwei legale Anbieter geben kann - nämlich die Casinos Austria und die Lotteriegesellschaft, die vom Staat die Konzessionen dafür erhalten haben", erklärt Karl-Werner Fellner, als ehemaliger Verwaltungsrichter ein Experte auf diesem Gebiet. Alle anderen Veranstalter, die keine Konzession haben, dürften nur "kleine Glücksspiele" anbieten, bei denen der maximale Einsatz 50 Cent nicht übersteigen darf und der Höchstgewinn mit 20 Euro limitiert ist. Alles, was darüber hinausgeht, ist illegal und somit strafbar. "Nicht nur für die Veranstalter, sondern auch für Kunden - vor allem, wenn ihnen gewerbsmäßiges Glücksspiel nachgewiesen werden kann", betont Fellner. Das betrifft übrigens auch Online-Casinos: Ohne Konzession keine entgeltlichen Glücksspiele.
Poker ist nicht gleich Poker
Jüngstes Beispiel dafür ist der Fall eines Poker-Casinos in Wiener Neustadt, das nur wenige Tage nach der Eröffnung den Staatsanwalt im Haus hatte, weil das Finanzamt einen Verstoß gegen das staatliche Glücksspielmonopol geortet und Anzeige erstattet hatte. Die Justiz untersucht nun einen Schlupfwinkel, den der Casino-Betreiber gefunden zu haben glaubt: Er pocht nämlich darauf, ein Geschicklichkeitsspiel anzubieten - das dürfte er in Niederösterreich.
Die Causa offenbart eine große Rechtsunsicherheit, die der Poker-Boom mit sich gebracht hat: Handelt es sich nun um ein (verbotenes) Glücks- oder ein (teilweise erlaubtes) Geschicklichkeitsspiel?
Das Finanzministerium sieht Kartenpoker - ebenso wie Roulette und Spielautomaten - eindeutig als Glücksspiel und beruft sich auf einen Entscheid des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) aus dem Jahr 2005: Darin wird die häufigste Variante "Texas Holdem" ebenso wie "7 Card Stud Poker" und "5 Card Draw" als Glücksspiel im Sinne des Glücksspielgesetzes beurteilt, nachdem eine Gutachterin bestätigte, "dass der Ausgang der Spiele vorwiegend vom Zufall abhängt". Aufmerksame Spieler mit gutem Gedächtnis hätten demnach keine höheren Gewinnchancen. Logische Konsequenz: Diese Spielarten fallen unter das staatliche Glücksspielmonopol.
Der Teufel steckt allerdings im Detail: Dieses VwGH-Urteil nennt nämlich nicht die weiteren Varianten "Two Asses", "House Poker" und "Tropical Start Poker". Zu diesen drei Spielarten gibt es nämlich andere Urteile, ebenfalls vom VwGH, in denen von Geschicklichkeitsspielen die Rede ist. Die Begründung: "Gewinn und Verlust hängen nicht überwiegend vom Zufall ab, sondern von der Geschicklichkeit der Spieler (etwa Merkfähigkeit und Taktik)".
Nur wenige legale Anbieter
Für Geschicklichkeitsspiele gibt es kein staatliches Monopol. Wiener Gastwirte dürfen sie beispielsweise im Rahmen ihres Gewerbescheins veranstalten, sofern sie sich nicht dadurch an ihren Gästen bereichern, erläutert Gabriele Krizek von der zuständigen MA 36. Diverse Bridge-, Tarock- und Schnapsturniere - diese Kartenspiele hat der VwGH explizit als Geschicklichkeitsspiele beurteilt - stehen somit nicht mit dem Gesetz in Konflikt.
Beim Poker sorgen die differenten Urteile für weiteren Zündstoff. Die Casinos Austria, die derzeit als einziger legaler Poker-Anbieter gelten (im Internet ist es www.wintoday.at), pochen darauf, dass die Judikatur eindeutig festgestellt habe, dass Poker ein Glücksspiel ist, das unter das staatliche Monopol fällt.
Kritiker dieser Argumentation führen hingegen ins Treffen, dass bei den größten Turnieren stets dieselben Profis ins Finale einziehen würden. Glück alleine könne dafür nicht genügen. Dieser Ansicht ist auch Hollywood-Star Robert Duvall, der in aktuellen Film "Glück im Spiel" pokern muss: "Ich habe es durch sehr hartes Training mit etlichen Weltklassespielern gelernt."
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