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Ein gutes Zeichen von den Märkten: Anleger haben wieder Lust auf Risiko

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Der Ertrinkende klammert sich bekanntlich an jeden kleinen Strohhalm. Was die wirtschaftliche Erholung anbelangt, scheint dieser nicht wirklich in Sicht: Die Weltwirtschaft schrumpft.


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Immer noch werden die Konjunkturprognosen nach unten korrigiert - obwohl Experten schon verdächtig lange behaupten, der Boden der Talfahrt sei erreicht. Auf dem Arbeitsmarkt steht uns das Schlimmste fraglos noch bevor.

Nicht einmal bei den Banken, die mit Milliardenbeträgen von staatlicher und von Investorenseite aufmunitioniert wurden, kann es Entwarnung geben: Die Quote der Kreditausfälle steigt weiterhin - und für Problemregionen könnte das noch eine Zeit lang so weitergehen.

Wo, wenn überhaupt, lassen sich da Anzeichen einer Erholung erkennen? Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, als Koordinationsstelle gleichsam die "Zentralbank der Zentralbanken", sieht Hoffnungszeichen just dort, wo viele Probleme ihren Ursprung hatten: bei riskanten Veranlagungen.

Zwischen Ende Februar und Ende Mai hätten die Anleger nämlich wieder verstärkt Lust auf risikoreichere Investments bekommen. Es scheint auf den ersten Blick paradox, das als positives Signal zu werten: Spekulative Veranlagungen gelten schließlich als einer der Auslöser der weltweiten Finanzkrise.

Dass nun wieder verstärkt in Hochrisiko-Anleihen investiert wird, zeigt allerdings, dass die Anleger der Meinung sind, das Risiko sei in Relation zur erzielbaren Rendite vergleichsweise gering. Die Gefahr von Pleiten wird also kleiner eingeschätzt als vor wenigen Monaten, als eine große Flucht in Staatsanleihen eingesetzt hatte.

Diese ist mittlerweile wieder vorbei. Die Langfristzinsen bei Staatsanleihen sind deutlich gestiegen - wozu freilich auch Sorgen wegen der durch die Konjunkturpakete stark gestiegenen Staatsschulden und die Angst vor künftiger Inflation beigetragen haben könnten.

Die neu entdeckte Risikolaune der Anleger bestätigt der Blick auf die Aktienmärkte: Diese haben seit ihrem bisherigen Tief Anfang März eine beachtliche Kurserholung hingelegt. Der EuroStoxx50-Index etwa, in dem 50 große börsennotierte Unternehmen der Eurozone gebündelt sind, hat um gut 38 Prozent zugelegt.

Besonders stark war der Aufwärtstrend bei Aktien aus Osteuropa, die im Jänner und Februar besonders gelitten hatten: Die BIZ-Experten sehen einen klaren Zusammenhang zwischen den Kursanstiegen einerseits sowie der Beteuerung der EU, Mitgliedsstaaten finanziell beizustehen und der Aufstockung der Rettungsmittel des Währungsfonds andererseits.

Sind das alles nur Strohfeuer oder Frühboten der Erholung? Weder die Aktien noch die Kreditmärkte hätten das Niveau vor der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 erreicht, warnt die BIZ.

Spürbar normalisiert habe sich indes der Zahlungsverkehr der Banken untereinander: Die nach der Lehman-Pleite exorbitant hohen Zinssätze im sogenannten Interbanken-Geschäft hätten sich schrittweise wieder auf einstiges Niveau eingependelt. Banken können sich also wieder leichter Liquidität verschaffen - ebenfalls ein Zeichen der Deeskalation.