Im Süden von Wien wollen gleich drei SPÖ-Bürgermeister ein neues Gymnasium. Die rote Bildungsministerin, die lieber eine Gesamtschule hätte, wird eines genehmigen müssen.
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Wiener Neudorf. Seit zehn Jahren ist Christian ("Wörli") Wöhrleitner Bürgermeister. Für die Gemeinderatswahl am 25. Jänner bietet er den Wählern ein besonderes Zuckerl - ein Gymnasium.
In der SPÖ-Zeitung des Ortes "konkret" sagt er: "Ein Gymnasium für unsere 10- bis 14-Jährigen ist unser Jahrhundertprojekt." Er muss sich nun gegen die Bürgermeister-Kollegen Friedrich Scharrer in Vösendorf und Andreas Babler in Traiskirchen durchsetzen, die ebenfalls um eine neue Schule rittern.
Anspruch und Wirklichkeit
Alle drei wollen ein Gymnasium und alle drei gehören der SPÖ an. Das ist jene Partei, die seit Jahren für ein Ende des Gymnasiums kämpft. Die SPÖ will bekanntlich eine Gesamtschule für alle 10- bis 14-Jährigen, weil sie gegen die frühe Trennung in Gymnasiasten und Hauptschüler ist. Die Letztentscheidung trifft SPÖ-Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Als stellvertretende Parteichefin im Bezirk Mödling und Guntramsdorferin kennt sie alle drei Genossen sehr gut.
"Es steht außer Frage, dass Bedarf an einer Schule im Süden von Wien besteht. Derzeit werden mehrere Standorte in der engeren Auswahl evaluiert. Die genaue Ausgestaltung der Schulform wird bei der Entscheidung ebenso Thema sein. Meine Position in Sachen gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen ist bekannt und ich stehe dazu, dass eine spätere Trennung besser wäre", sagt sie zur "Wiener Zeitung".
Die Entscheidung für einen Standort soll noch vor dem Sommer fallen, ist zu hören. Für Wöhrleitner ist die Frage der Schulform aber längst gegessen. "Bei der Gemeinderatswahl wird über ein Gymnasium entschieden", heißt es in "konkret". Zur "Wiener Zeitung" sagt er: "Das Gymnasium ist im Bezirk die Regelschule. 75 Prozent der Kinder gehen in die AHS." Andere Schätzungen gehen von 60 bis 70 Prozent aus. "Da erübrigt sich die Diskussion. Ich kann den Eltern nicht sagen, wo sie ihre Kinder hingeben sollen."
Auf dem neuen Bildungscampus, den er am Gelände einer ehemaligen Kammfabrik ansiedeln würde, will er Eltern unter einem Dach weiter eine Wahlmöglichkeit anbieten - zwischen 28 Klassen Gymnasium und acht Klassen Neue Mittelschule. Eine Neue Mittelschule für alle - als Vorläufer für die Gesamtschule - "ginge am Bedarf vorbei", sagt er. "Ich bin für eine ehrliche Diskussion. Jeder hat Stärken und Schwächen."
Knapp außerhalb des Bezirks wäre ein Gymnasium angesiedelt, sollte Traiskirchen den Zuschlag bekommen. SPÖ-Bürgermeister Babler rechnet sich gute Chancen aus. "Wir verhandeln seit über 12 Jahren." Alleine aus Traiskirchen müssten derzeit 100 Kinder in andere Gymnasien pendeln. Außerdem könnte man bei einem Zuschlag Gemeinden wie Laxenburg oder Münchendorf anbinden. Zur Frage des Schultyps sagt er: "Wir müssen in der Realität leben. Solange es kein Modell für eine Gesamtschule gibt, müssen wir mit dem arbeiten, das da ist."
Am wenigsten Chancen werden Vösendorf eingeräumt. SPÖ-Bürgermeister Friedrich Scharrer meint: "Es würde mir wehtun, wenn es nicht Vösendorf wird. Aber ich sehe es auch regional. Jetzt fahren die Schüler nach Mödling. Mödling platzt aus allen Nähten. Hauptsache, es entsteht eine neue Schule im Bezirk." In Mödling gibt es die Gymnasien Bachgasse und Keimgasse. In der Keimgasse werden Schüler bereits in Containern unterrichtet, weil 1000 Schüler die Kapazitäten sprengen. "Nach Neudorf ist die Verbindung besser als nach Traiskirchen", sagt Scharrer für den Fall, dass Vösendorf leer ausgeht.
Der Mödlinger Bürgermeister Hans Stefan Hintner von der ÖVP sagt zum Standort-Match: "Uns ist selbstverständlich Wiener Neudorf am liebsten." Die Gemeinde sei über S-Bahn, Badnerbahn und City-Bus gut erreichbar, hofft er auf eine Entlastung der Mödlinger Schulen. Bei einem Zuschlag für Traiskirchen würde es Mödlinger eher nach Perchtoldsdorf ziehen.
Gesamtschul-Front
Eine weitere Variante kursiert: Die immer weniger gefragte Mödlinger Neue Mittelschule Jakob Thoma wandert nach Neudorf, die Keimgasse expandiert in die frei werdenden Räumlichkeiten. Die Keimgasse ist schon jetzt mit zwei Klassen in der Jakob Thoma eingemietet. Für Hintner würden langfristig aber nicht einmal die 18 Klassenräume reichen, um die wachsende Zahl an Gymnasiasten in Mödling unterzubringen.
Hintner gibt der SPÖ die Schuld für den Schulnotstand. "Dass man zumindest zehn neue Klassen braucht, weiß man seit zehn Jahren. Doch vor allem die Vorgängerin von Heinisch-Hosek, Claudia Schmied (SPÖ), hat neue Gymnasien wegen ihres Fokus‘ auf die Gesamtschule blockiert."
Ein Fokus, den auch Heinisch-Hosek beibehält. Die feierliche Eröffnung eines neuen Gymnasiums in ihrer Heimatregion wird ihr trotzdem nicht erspart bleiben. Sie muss es ja nicht gleich "Jahrhundertprojekt" nennen.