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Joachim Gauck besuchte als erster deutscher Spitzenpolitiker den Ort.
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Oradour-sur-Glane. Es war ein berührender Moment an einem Tag 69 Jahre nach einem der schrecklichsten Massaker des Zweiten Weltkrieges, als in den Ruinen der Kirche von Oradour-sur-Glane die Präsidenten von Frankreich und Deutschland, Françoise Hollande und Joachim Gauck, dem 88-jährigen Robert Hébras in ihre Mitte nahmen. In Oradour hatte am 10. Juni 1944 die 2. SS-Panzer-Division "Das Reich" 642 Menschen ermordet, darunter 207 Kinder und 254 Frauen.
Joachim Gauck war der erste deutsche Spitzenpolitiker, der nach Oradour kam. Sein Besuch wird als besondere Geste der Versöhnung gewertet. Gauck sagte, er wolle den Opfern die Hand reichen und ihnen bedeuten, dass er an ihrer Seite stehe. Und er sagte den Überlebenden und den Hinterbliebenen, dass den Deutschen bewusst sei, was angerichtet worden ist.
Hébras ist einer von zwei noch lebenden Überlebenden des Massakers. Nur sechs Menschen überlebten damals in Oradour, darunter eine einzige Frau, der es gelungen war, durch ein Fenster hinter dem Altar der Kirche zu entkommen, in die die 120 Mitglieder des SS-Bataillons die Frauen und die Kinder getrieben hatten. Danach hatten sie die Kirche angezündet und Handgranaten in ihr Inneres geworfen und den Kirchturm gesprengt.
Die Männer, die man zuerst in Scheunen und Garagen eingesperrt hatte, wurden danach erschossen und anschließend der ganze Ort in Brand gesteckt.
Der damals knapp 19-jährige Hébras, der trotz seines hohen Alters noch heute Führungen durch die Ruinen des Dorfes macht, verlor damals seine Mutter und zwei Schwestern. Der Vater überlebte nur, weil er sich an dem Tag zufällig nicht im Ort aufgehalten hat. Er selbst hatte sich in einer Scheune totgestellt und war unter den Leichen anderer Männer versteckt. Als die SS die Scheune anzündete, flüchtete er im letzten Moment. Als Zeitzeuge schilderte er später: "Mein linker Arm und meine Haare haben schon gebrannt. Es war ein furchtbarer Schmerz, deshalb musste ich aus der Scheune hinaus. Wir sind dann aus der brennenden Scheune in die nächste gekrochen. Wir haben uns in Kaninchenställen verborgen. Auch die begannen schließlich zu brennen. Ungefähr um sieben Uhr abends haben wir uns dann hinausgewagt. Ich bin dann weitergelaufen in Richtung Friedhof und von dort in die Felder. Sie haben mich nicht entdeckt. Von dort sah ich, dass alle Häuser in Flammen standen. Ganz Oradour brannte".
In der BRD wurde für das Massaker nie jemand zur Verantwortung gezogen. Am 13. Februar 1953 verurteilte ein französisches Militärtribunal 21 SS-Soldaten, davon 14 aus dem Elsass. Das Urteil gegen die Elsässer wurde nach Protesten aufgehoben, die anderen Verurteilten spätestens 1959 aus der Haft entlassen. In der DDR wurde SS-Obersturmführer Heinz Barth 1983 zu lebenslänglicher Haft verurteilt und 1997 aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen.