Die Savile Row ist eine bekannte Strasse in London, in der sich ein Schneider-Atelier an das andere reiht. Zahlreiche Berühmtheiten waren und sind Kunden der typisch klassischen Machart von Herrenmode, angefangen bei Sir Winston Churchill, Fred Astaire, Cary Grant und John Lennon bis hin zu den aktuellen Promis wie The Princes William und Harry, Mick Jagger, Tom Ford, Brad Pitt oder David Beckham. Auf der vergangenen Florentiner Männermode-Messe "Pitti Uomo" war diese Straße das Thema einer Ausstellung im Palazzo Pitti mit einem historischen Rückblick auf die modischen Leistungen der Londoner Schneider.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Nicht von ungefähr. Denn das Bild der neuen Herrenmode signalisierte eindeutig Eleganz. Da fühlten sich natürlich insbesondere die englischen Messe-Aussteller wie Aquascutum, Dunhill oder Ballantyne vom neuen Trend bestätigt, ebenso die hochwertigen italienischen Modemacher, allen voran die in Oberitalien ansässige Firma Zegna, die sich seit Generationen im Familienbesitz befindet. Ursprünglich nur Stoffhersteller, produziert Zegna inzwischen die gesamte Palette des Lifestyles. Dazu gehören neben Anzügen, Mänteln, Hosen und Hemden auch Schuhe, Accessoires und sogar Parfüm. Die Ausweitungen und Neuerungen wurden von den Inhabern permanent und mit besonderem Feeling betrieben.
Dieser Spezialist in Vielfalt bietet Cashmere-Mäntel mit Biber und Wieselkragen oder - als Unterstreichung der weiteren Klima-Erwärmung - superfeine Stoffe ("15 Mille-Mille") auch für Winter-Anzüge. Seiden-Smokings mit Ton-in-Ton-Streifen, dazu Samthandschuhe und Krokolederschuhe dürften in ihrem eleganten Look nicht zu überbieten sein. Abendanzüge aus "Cashco", einem Gemisch aus Cashmere und Baumwolle in Samtoptik, sind ein attraktiver Blickfang.
Eleganz überall. So kommt die alte englische Schneider-Tradition auf moderne Art zurück. Das heißt einmal: dezentere Optik, auffallend ruhigere Farben, neben Grau kommt Braun in allen Nuancen ins Spiel. Bei den Materialien werden neben Cashmere auch Samt, Cord, leichte Flanelle, Mohair, Angora sowie superfeine Wolle und Cashmere-Seiden-Gemische wichtig. Auch die Dessins sind verhalten: feine Streifen, Ton-in-Ton-Musterungen, Glenchecks, die erst auf den zweiten Blick erkennbar sind.
Es wird angezogener. Das Sakko kommt stärker. Aber: Es ist nicht mehr so steif, sondern weich. Es sieht nicht länger "gebügelt" aus. Die Tendenz geht, neben einer Hochwertigkeit der Stoffe, zu einer schlankeren Silhouette, wobei auch die Revers schmal werden. Die Hose hat eine tiefere Leibhöhe und ein schmales Bein. Selbst die Fußweite wird eng (ca. 40 cm).
Thomas Schäfer, Chef des deutschen Modemachers René Lezard, spricht von "entspannter Eleganz". Frage: Wie kann ein Sakko bequem sein, wenn es schmal ist? Durch ein hoch eingesetztes Armloch ganz nah an der Achselhöhle - der Ärmel bleibt beweglich wie der eigene Arm. Zudem sind die Schultern mit weichen Einlagen ausgestattet, lediglich um diese zu stabilisieren.
Vermehrt sieht man kurze, "knackige" Westen. Diese Gilets werden teilweise auch ohne Sakko getragen, nur mit Hemd und Hose. Wenn es schon Jeans sein sollen, dann bitte ohne Löcher, im Vintage-Stil - wie leicht getragen aussehend. Aber dazu kombiniert man klassische Sakkos aus Flanell, auch in feinen Nadelstreifen oder dezentem Glencheck. Mit "Neuauffrischung der Konfektion" beschreibt Alfredo Pevarello von Pal Zileri den Modetrend. Grund: Auch die junge Generation mag es elegant, jedoch in leger-klassischen Varianten. Manches Gesehene erinnert an alte Hollywood-Filme: Die Helden sind immer fein gekleidet.
Schluss mit steif. Ein Mix von Formen, Materialien und Stilen "kämpft" gegen die früher steife Konfektion. Die Casualisierung der Herrenmode geht weiter. Man kombiniert matt und Glanz, zum Beispiel ein Tweed-
sakko mit eingearbeiteter Weste aus Nylon oder Strick.
Corneliani bietet einen solchen "Between"-Look an: ein so genanntes Jazz-Jackett aus Cashmere in Schwarz, sowohl offiziell als auch in der Freizeit zu tragen. Typischer Look bei Karl Lagerfeld: dunkelblauer Cashmere-Blazer, dunkle, beinschmale Vintage-Jeans und weißes Hemd mit hohem Stegkragen - so, wie der Meister selbst sich kleidet. Eine Versöhnung von Korrektheit und Lässigkeit.
Der deutsche Modemacher Windsor differenziert ein wenig in den Angeboten für Manager und junge Fashion-Freaks, sowohl in den Farben (Schwarz oder Dunkelblau für die einen, Braunthemen, Cameltöne mit Silber und Offwhite für die Kenner) als auch in den Formen. In jedem Fall muss es ein italienischer, sexy Look mit deutscher Passform sein. Für die germanische Statur.
Hochwertige Materialien. Mäntel zeichnen sich nicht allein durch ihr Cashmere-Material aus, sondern vermehrt auch durch Pelzkragen oder -innenleben; es wird viel Chinchilla, Nerz oder Wiesel verwendet. Gleiches sieht man nunmehr auch im Casualbereich.
Auch dort hat sowohl Spitzenverarbeitung als auch der Gebrauch von hochwertigen Materialien Einzug gehalten. Die Farbe Schwarz dominiert und macht den ohnehin aufwendigen Look durch sorgfältig eingearbeitete Funktionen und Ausstattungen noch edler. Superfeine Merinowolle und reines Cashmere sind hier mittlerweile selbstverständlich.
Intelligente Kleidung. Florenz ist nicht Pisa. Hier betreibt man andere Studien. So macht denn die "intelligente Kleidung" weitere Fortschritte: wetterfeste Jacken, die flecken-, wasser- und windabweisend und zugleich atmungsaktiv sind. Bei Zegna gibt es einen superleichten Nylonblouson zum Joggen mit iPod-Ausstattung, Tastatur am Ärmel und Stereo-System: Bei Anruf wird die Musik leiser und bei Zuruf wählt das in einer Spezialtasche ruhende Handy automatisch die eingegebene Nummer. Weitere Neuheiten: ein Teflon-Mantel, der Regen-, Schnee- und Wasser abstoßend ist oder Hosen, die vollkommen wasserundurchlässig sind.
Selbst die Jeans weisen dunkle Töne auf. Joop! spricht von einem veredelten Punk-Look. Bemerkenswert war die Präsentation des bekannten Jeansherstellers GAS. Da war kein Denimblau zu sehen, weder bei den Herren- noch bei den Damenmodellen. Die Kollektion zeigte sich in lässiger Klassik, vornehmlich in Grautönen. Und das Auffälligste waren Smokingjacketts, teilweise sogar mit Tresse an den Seitennähten der Hosen. Eine Reverenz an den eleganten Trend.
"Good times - bad clothing, bad times - good clothing" heißt eine Standard-Formel in der Modebranche. Folgte man ihr, so stünden wir vor einer wenig erfreulichen Periode, denn die Eleganz zieht an. Vielleicht sollte man aber diesen Spruch "entspannt" abwandeln: schlechte Zeiten für schlechte Kleidung!