Kontrollen gegen zu freizügige und westlicheKleidung verschärft. | In 4 Tagen gab es 3000 Verwarnungen. | Teheran. Auf den ersten Blick ist es ein Donnerstagnachmittag wie jeder andere auch. Der Verkehrskollaps, flirtende Jugendliche und der Duft verführerischer Bäckereien prägen an diesem heißen Frühlingstag das Stadtbild der Millionenmetropole Teheran. Auffällig sind nur unzählige Beamte der sogenannten Sittenbehörde, die ihres Amtes walten.
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Den Auftrag dazu haben sie von höchster Stelle, von Präsident Mahmoud Ahmadinejad erhalten. Sie sollen ordentlich aufräumen mit der "teuflischen Verwestlichung" Irans und vor allem den Frauen nachdrücklich klarmachen, dass die islamischen Kleidungsvorschriften (nur die Hände und das Gesicht dürfen zu sehen sein, der Rest muss verhüllt werden) seit vergangenen Samstag wieder rigoros kontrolliert werden.
"Es war wie ein Schock. Wir haben uns diese kleine Freiheit, unsere Haare etwas zeigen zu dürfen, jahrelang erkämpft und werden sie nicht so einfach hergeben", empört sich die 24-jährige Shaghayegh, die selbst im Zuge der Kampagne verwarnt wurde.
Mediale Unterstützung
Unterstützt werden die Sittenwächter in ihrer Mission von fast allen Medien des Landes. Die großen Zeitungen zeigten auf ihren Titelseiten Fotos von Polizistinnen, die im schwarzen Tschador - jenem riesigen Schleier, der das ganze Haupt und den Körper bedeckt - junge Iranerinnen in figurbetonter Kleidung tadelten. Beim ersten Verstoß gegen den Kleidungskodex gibt es eine Verwarnung, bei Widerstand aber werden die Betroffenen in Gewahrsam genommen.
Bisher waren ähnliche Aktionen schnell im Sande verlaufen. Diesmal werde das aber sicherlich nicht der Fall sein, stellte ein Polizeisprecher klar. In den letzten Tagen wurden 3000 Frauen ermahnt, weitere 570 polizeilich überprüft, 458 davon hätten aber wieder gehen dürfen, nachdem sie sich dazu verpflichtet hätten, ihre Kleidung und ihr Auftreten zu ändern, so der Beamte weiter.
Für viele Frauen mittleren Alters werden mit der jetzigen "Aktion scharf" Erinnerungen an die Ära Ahmadinejads großem Vorbild, Revolutionsgründer Ajatollah Khomeini, wach. "Ich weiß noch genau, dass man vor 20 Jahren mit einem heißen Bügeleisen am Rücken rechnen musste, wenn man zu viel Haar zeigte, sich auffällig schminkte oder gar ohne Strümpfe außer Haus ging", erzählt Maryam, die ihrer Tochter vorsorglich einen Tschador gekauft hat, "damit sie den Wächtern gar keine Chance gibt, sie mitzunehmen".
Was Mayram beschreibt, waren die harten Regeln der 80er und 90er Jahre. Als jedoch der Reformer Mohammad Khatami 1997 Präsident wurde, konnten sich Irans Frauen langsam aber sicher selbstbewusster und "freier" in der Öffentlichkeit zeigen. Das führte dazu, dass der Tschador mehr und mehr durch ein Kopftuch, der Langmantel durch immer kürzer werdende Kurzmäntel und schließlich das Kopftuch durch einen Hauch von Schal ersetzt wurde. Auch der Schnitt und die Farben der verpflichtenden Kopfbedeckung wurden immer extravaganter. Was Khatami und seine Gefolgschaft durchaus duldeten, ist dem jetzigen Regime ein großes Dorn im Auge.
Kurze Hosen verboten
Dass nicht nur Mädchen und Frauen betroffen sind, hat sich an mehreren Universitäten gezeigt. In Shiraz beispielsweise ist für Burschen das Tragen von kurzen Hosen und ärmellosen T-Shirts ab sofort außerhalb der Zimmer strikt untersagt. Zudem hat die Universität eine Ausgangssperre von 23 Uhr bis 5 Uhr verhängt und den Studierenden ist es auch verboten, Besuch auf ihren Zimmern zu empfangen. Den Wächtern ist es auch weiterhin erlaubt, die Räume ohne Einschränkungen für Kontrollen zu betreten.
"Tausende haben dagegen protestiert, doch ich weiß, es ist erst der Anfang", gibt sich der Student Amir kämpferisch. Im Hintergrund laufen unterdessen die Nachrichten. "Wir fordern unsere Mitbürger dringend auf, sich an die Bekleidungsvorschriften zu halten", verliest die Moderatorin eine Botschaft der Sittenbehörde. In den kommenden zwei Wochen soll die "Aktion scharf" ausgeweitet werden.