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Ein Hauch von Untergang

Von WZ-Korrespondent Luca Faccio

Politik
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Armeebaracken an der innerkoreanischen Grenze: Der Waffenstillstand (r.) ist ein Museumsstück, die Aggression richtet gegen den Erzfeind USA. Faccio

Gespannte Stille am 38. Breitengrad - ein Lokalaugenschein.


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Panmunjom. Ein Land im Kriegszustand: Seit dem 8. März gilt der Waffenstillstand nicht mehr, den Nordkorea 1953 mit dem Süden geschlossen hat. Alle Verbindungen sind gekappt, das Rote Telefon, 1971 für Notfälle installiert, gibt es nicht mehr.

Als die Air-China-Maschine von Peking in Richtung Pjöngjang abhebt, ist sie fast leer. Jetzt, wo die Spannungen ihrem Höhepunkt zusteuern, wagt sich kaum jemand hierher. Auf dem internationalen Flughafen von Pjöngjang ist von Kriegsstimmung nichts zu spüren, hier scheint alles normal. Die Menschen sind freundlich, auch zu Ausländern, die Stimmung ist entspannt.

Ganz anders in Panmunjom. In der Grenzstadt, in der 1953 jener Nichtangriffspakt unterzeichnet wurde, der plötzlich nicht mehr gelten soll, ist die drohende Gefahr greifbar. Der Ort ist ein Symbol der koreanischen Tragödie, die 1945 ihren Ausgang nahm, als Roosevelt, Churchill und Stalin in Jalta die Trennung der koreanischen Halbinsel beschlossen. Seither steht die Grenze entlang des 38. Breitengrades für die Trennung eines Landes, die Trennung von Familien, zahllose Einzelschicksale.

Es liegt Schnee, Schüsse sind zu hören. Die nordkoreanische Armee, die in Alarmbereitschaft ist, hält Manöver ab. Der Feind, das sind nicht in erster Linie die Südkoreaner; die werden kaum erwähnt. Die befohlene Aggression richtet sich gegen die USA, den erklärten Erzfeind.

In der demilitarisierten Zone angekommen werde ich gebeten, aus dem Auto auszusteigen. Die Stimmung ist trist, es ist ein kalter Frühlingstag. Niemand lässt sich auf der Straße blicken, nur kleine Gruppen von Soldaten marschieren. Zu sehen sind nackte Betonsäulen, eine Toilette, ein Souvenirshop und ein großes Bild, das das vereinte Korea - allegorisch mit zwei Schwestern dargestellt - zeigt. Ein Offizier führt mich in einen Raum, in dem das gesamte Areal mit den historischen Armeebaracken und dem Grenzverlauf als Plastikmodell abgebildet ist.

Verträge fürs Museum

Dann werde ich durch ein Tor gebeten, jeder muss einzeln gehen, dahinter darf man wieder ins Auto, das von einem Jeep mit drei Soldaten eskortiert wird. 800 Meter weiter befindet sich jene Baracke, in der 1953 der Waffenstillstand unterzeichnet wurde. Wir gehen in die Unterkunft, hier stehen zwei separate Tische. Der Vertrag hat die Form eines Buches, das Cover ist zur Hälfte in roten Stoff eingebunden und zur Hälfte nackt. Touristen hätten Teile des Einbandes einfach mitgenommen, heißt es zur Erklärung. Jetzt werden die Dokumente, die von Nordkoreas Führung mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt wurden, durch eine Plastikvitrine geschützt.

Als unlängst Kim Jong-un hier zu Besuch war, war er wie so oft in kriegerischer Laune, erzählt ein Soldat. "Wenn die USA uns wieder angreifen, dann muss ich sie unbedingt besiegen und nicht wieder ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnen", soll Nordkoreas jugendlicher Machthaber gesagt haben. An den Wänden hängen Bilder, eines davon zeigt das historische Treffen zwischen dem südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung und Nordkoreas verstorbenem Machthaber Kim Jong-il 2000 in Pjöngjang. Dann geht es wieder ins Auto, wir werden in eine Baracke geführt, wo es Treffen zwischen nord- und südkoreanischen Militärs gab. Die Straße davor wird von Bäumen ohne Blätter gesäumt.

Hier ist eine Kreuzung. Auf der einen Seite geht es in Richtung Brücke ohne Wiederkehr, der andere Weg führt zur Nordseite des 38. Breitengrades. Hier steht ein riesiges Gebäude, vier blaue und zwei weiße Baracken, eine Hälfte liegt im Norden, eine im Süden. Der Platz davor ist leer, niemand ist zu sehen, kein Besucher bekommt jetzt die Erlaubnis, hierher zu kommen. Es herrscht eine merkwürdige Untergangsstimmung, man hat den Eindruck, dass eine falsche Bewegung zur Katastrophe führen könnte. Vor der Baracke stehen zwei nordkoreanische Soldaten, ich werde in den ersten Stock gelotst. Ein Soldat erklärt mir, dass die USA und Japan zwar der Feind seien, für amerikanische und japanische Touristen gelte das aber nicht, die sind willkommen.

Dann werde ich gefragt, warum westliche Medien immer so negativ über Nordkorea berichten - weil es Pressefreiheit gibt, antworte ich. Der Besuch ist schnell vorbei, 15 Minuten hat er gedauert, als es wieder in Richtung Auto geht. Ich werde von Soldaten eskortiert, diesmal sind es vier. Außerhalb der demilitarisierten Zone steht ein nordkoreanischer Soldat, die Kalaschnikow hat er im Anschlag.

Aufgezeichnet vonMichael Schmölzer