Die Infrastruktur am Westbalkan gehört verbessert, findet - auch - die EU-Kommission.
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Die meisten Menschen befinden sich davor. Sie sitzen in kleinen Grüppchen im Gastgarten, plaudern, bestellen bei der flinken Kellnerin ihre Getränke. Drinnen aber, im Gebäude, ist es leer. Es ist der Hauptbahnhof von Sarajewo, der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas. Doch vom üblichen Bahnhofstreiben ist dort nichts geblieben. In der riesigen Halle hinter den Glasfassaden sind die Bänke unbesetzt, das Zeitungsgeschäft und das Tourismusbüro verschlossen. Die paar Jugendlichen, die sich mit langsamem Biertrinken ihre Zeit auf dem Bahnsteig vertreiben, sind meist ungestört.
Geöffnet sind aber trotzdem die Schalter - und das gleich drei. Denn der Bahnhof von Sarajewo ist sehr wohl in Betrieb: Zwölf Züge kommen hier täglich an. Und zwölf fahren ab. Neun Stunden dauert die Reise in die 300 Kilometer weiter nordwestlich gelegene kroatische Hauptstadt.
Doch die wenigsten, die nach Zagreb wollen, nehmen den Zug. Wer kein Auto hat, fährt mit dem Bus. Das Straßennetz und der Busverkehr sind wesentlich ausgebauter als die Schienenwege, von denen etliche noch aus der Habsburger-Zeit stammen.
An den Bahnhof von Sarajewo wird Johannes Hahn kaum gedacht haben, als er Anfang der Woche bei seiner Anhörung im EU-Parlament für einen Ausbau der Infrastruktur in den Westbalkan-Staaten geworben hat. Doch hätte das Beispiel seine Aussagen vom "weißen Fleck in Europa" nur gestützt. Solch ein Gebiet dürfe der Westbalkan nicht bleiben, befand der Österreicher.
Hahn soll in der künftigen EU-Kommission das Ressort Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen leiten. Von diesen ist der Beitrittskandidat Bosnien-Herzegowina allerdings noch weit entfernt. In dem in die Republika Srpska und die Bosniakisch-Kroatische Föderation geteilten Land mit seiner komplexen Verwaltungsstruktur und seiner tristen wirtschaftlichen Lage gehen Reformen nur schleppend voran. Diesen Stillstand wolle er durchbrechen, kündigte Hahn an. Er habe vor, mit allen politischen Akteuren in Bosnien zu sprechen. Denn die Situation sei "inakzeptabel". Das müsste dem scheidenden Regionalkommissar, in dessen Zuständigkeit auch die Förderung von Infrastruktur-Projekten fällt, aber schon länger bewusst sein. Denn so manche Gelegenheit zur Aussprache hatte er bereits in seiner jetzigen Funktion.
Immerhin haben sich die Entitäten zuletzt so weit verständigen können, dass Bosnien-Herzegowina erstmals in seiner Geschichte die Kontrolle über den eigenen Luftraum übernehmen konnte. Seit Anfang des Monats sind nicht mehr Serbien und Kroatien für die Überwachung zuständig. Die Summe, die dafür in die Nachbarländer floss, bezifferten Medien mit 15 Millionen Euro jährlich.
In einer anderen Angelegenheit setzt Sarajewo wiederum auf mehr Kooperation mit den übrigen Westbalkan-Staaten. Gemeinsam wollen sie die Roaming-Gebühren für Telefongespräche senken. In den nächsten drei Jahren möchten Bosnien, Serbien, Montenegro und Mazedonien den Tarif auf rund 25 Cent pro Minute herabsetzen und so an die Höhe in der EU anpassen. Zumindest das ist eine Verbesserung der Infrastruktur, die Reisende zu schätzen wissen werden. Denn bisher kann eine Minute Telefonieren vier Euro kosten.