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Karner: "Beibehaltung der Wehrpflicht wäre Reformende auf lange Zeit."
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Wien. Kurzfristig betrachtet komme die Wehrpflicht mit Katastrophenschutz und Zivildienst günstiger als ein Berufsheer. Aber auf lange Sicht betrachtet ist ein Berufsheer günstiger, sagt Militärexperte Gerald Karner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Karner hat das Bundesheer im Rang eines Brigadiers 2006 verlassen. Er ist überzeugt, dass ein Berufsheer zukunftsfähiger ist als die allgemeine Wehrpflicht.
Als Hauptnachteil der Wehrpflicht beschreibt Karner die unwirtschaftliche Ausbildung. "Wir bilden der Ausbildung wegen aus." 22.000 bis 25.000 Rekruten würden jährlich dem Arbeitsprozess entzogen. Und auch militärisch sei das System der Wehrpflicht zu hinterfragen: Denn bei einem Berufsheer könne das, was in die Ausbildung investiert werde, 1:1 abgerufen werden. Bei der Wehrpflicht sei das bestenfalls zu einem verschwindenden Prozentsatz gegeben - maximal bei den Pionieren im Katastropheneinsatz. "Tatsächlich gehen nur 3 bis 5 Prozent der Rekruten in den Katastropheneinsatz. Und dafür wiederum braucht man keine militärische Ausbildung", sagt der Militärexperte. Tatsächlich würden Rekruten zwei Monate in eine Grundausbildung gesteckt, dann kämen zwei Monate Ausbildung für die Gruppe - sofern sie nicht als Systemerhalter eingesetzt werden - und schließlich erfüllten sie zwei Monate ihren Job.
Vier Monate Ausbildung, zwei Monate Job
"Von sechs Monaten ist ein Präsenzdiener vier Monate in Ausbildung, nur zwei Monate im Job. Dann geht er und kommt nie wieder", resümiert Karner. Das koste zwischen 200 und 500 Millionen Euro im Jahr. "Wenn man das in ein Berufsheer investieren würde, hätte man ein Heer für jede Jahreszeit. Also eines, das vielseitig einsetzbar ist", sagt Karner. Damit meine er auch Auslandseinsätze. Denn von den Wehrpflichtigen gehe niemand in Auslandseinsätze - "wie denn auch, er ist ja dafür nicht ausgebildet" - und im Heer stehe nur ein kleiner Teil dafür zur Verfügung.
Grundwehrdiener nicht gegen Terrorismus einsetzen
Gar nichts hält Karner von der Idee, mit Grundwehrdienern Objekte vor Terrorismus schützen zu wollen. Terrorangriffe würden üblicherweise nicht angekündigt und wenn doch, sollten nicht drei Monate ausgebildete Soldaten gegen Al-Kaida-Kämpfer eingesetzt werden. Terrorabwehr und die Beherrschung moderner Technologien zur Abwehr von Cybercrime würden ganz eindeutig für ein Berufsheer sprechen.
Karner glaubt auch nicht, dass die Mehrheit der jetzigen Berufssoldaten für die Wehrpflicht sind. "Es kommen halt nur die zu Wort, die viele Sterne auf dem Revers tragen und jene, die hohe Milizoffiziere sind. Und die haben tatsächlich etwas zu verlieren." Denn in einem Berufsheer seien bestimmte Strukturen nicht aufrecht zu erhalten und damit fielen auch Aufstiegsmöglichkeiten weg. Zusätzlich zu solchen Ängsten geselle sich die sogenannte Veränderungsresistenz, die in bürokratischen Systemen wie dem Bundesheer besonders hoch sei. Außerdem gesteht Karner seinen früheren Kollegen echte Skepsis gegenüber der Politik zu, dass tatsächlich Reformen erfolgen. Denn kaum ein Vorschlag der Bundesheerreformkommission sei umgesetzt worden.
Berufsheer erzwingt Reformen
Karner glaubt, dass eine Entscheidung für die Beibehaltung der Wehrpflicht das Ende für Reformen im Bundesheer auf lange Sicht wäre. Dagegen erwartet sich der Militärexperte von einer Entscheidung für ein Berufsheer einen Zugzwang zu Reformen.