Ausbau und Sanierung der österreichischen Autobahnen machen rasche Fortschritte. Nicht zuletzt die lahmende Konjunktur der vergangenen Jahre hat die Regierung bewogen, viel Geld in die Straßen zu stecken. Viele Abschnitte sind jetzt dreispurig - und wo sich die Autofahrer mit zwei Spuren pro Richtung begnügen müssen, ist die Fahrbahn so breit und das Verkehrsaufkommen so gering, dass rasches Vorwärtskommen dennoch garantiert ist. Um das Glück komplett zu machen, hat der scheidende Verkehrsminister Hubert Gorbach einen Versuch gestartet, das oft ohnehin praktizierte Tempo 160 zu legalisieren.
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Die Autofahrer könnten sich ob dieser Verkehrspolitik freuen - wären da nicht widerspenstige Landespolitiker. Tempo 100 statt 130 heißt es immer öfter auf der Autobahn, neuerdings auch in Oberösterreich und der Steiermark. Begründet wird die Beschränkung mit dem Immissionsschutzgesetz Luft, das auch hinter dem (nahezu) flächendeckenden Tempo 50 in Wien steht.
Der oberösterreichische Umweltlandesrat Rudi Anschober von den Grünen hofft, den Schadstoffausstoß pro Pkw mit dem niedrigeren Limit zwischen Enns und Linz um 20 Prozent senken zu können. Gorbach hält entgegen, dass der Verkehr auf Autobahnen und Schnellstraßen nur für sechs Prozent der gesamten Feinstaubbelastung verantwortlich sei. Und Hauptverursacher dabei seien die Lkw, die von Tempo 100 nicht betroffen wären. Wer recht hat, wird wohl erst feststehen, wenn die Messstelle Enns die ersten Daten nach Reduzierung des Tempolimits geliefert hat.
Bereits gemessen wurde - an anderer Stelle - die Auswirkung eines höheren Tempolimits. Das Verkehrsressort will seine Bilanz zum Tempo-160-Versuch in Kärnten zwar erst Ende August vorlegen. Bei Feinstaub und Stickoxiden habe es aber praktisch keine Auswirkungen gegeben, heißt es schon jetzt.
Angesichts der Diskussion der vergangenen Tage scheinen die nackten Zahlen aber ohnehin nur von nachrangiger Bedeutung zu sein. Verkehrspolitik war in Österreich immer schon mehr Glaubensals Vernunftsache, wie etwa die lange Debatte über die Senkung der Alkohol-Grenze gezeigt hat. Jetzt geht die Debatte - auch Wahlkampf-bedingt - in eine ähnliche Richtung. Da ist auf der einen Seite die Rede von der "Schnapsidee" (Gorbach) und von "Zumutung" sowie "Schikane" (Erich Haider/SPÖ). Auf der anderen Seite lautet der Vorwurf, Gorbach und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wollten die Gesundheit der Kinder "dem Tempowahn opfern" (Eva Glawischnig/Grüne).
Vielleicht ist aber ohnehin alles ein Streit um des Kaisers Bart. Denn dank mangelnder Überwachung sind die 130 km/h vielfach ohnehin mehr Richtals Höchstgeschwindigkeit. Abhilfe könnte ein Ausbau der Section Control schaffen. Dass die Fahrer vor dieser Form der Geschwindigkeitsüberwachung Respekt haben, hat Gorbachs Tempo-160-Versuch gezeigt, so umstritten das Projekt auch sein mag.
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