Türkische Unternehmer klagen über die Visa-Anforderungen für die Europäische Union. | Das Bild auf der Umschlagseite gefällt Ender Armagan besonders. Der Ausstellungskatalog zur Schau "Zeitreise in die Österreichisch-Türkische Vergangenheit", die in Wien und Ankara zu sehen war, zeigt eine Fahne. Es ist die k.k. Marineflagge der Waffenbrüderschaft, auf der vor rot-weiß-rotem Hintergrund sowohl das Emblem des Habsburgerreiches prangt als auch ein weißer Halbmond mit einem Stern zur Seite.
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"Das ist keine Fotomontage", sagt Armagan, während er im Katalog blättert. "Damals waren wir Freunde." Und jetzt?
Der Istanbuler Unternehmensberater hat eine österreichische Schule besucht: das renommierte St. Georgs-Kolleg in Istanbul. Er hat in Österreich studiert und gelebt. Er würde auch gern mit Österreichern Geschäfte machen. Doch das ist nicht immer einfach.
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Die Skepsis gegenüber einem möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union ist in Österreich groß. Weniger in Wirtschaftskreisen denn in der Bevölkerung, was sich wiederum auf die Politik der Regierung auswirkt. So war Wien an vorderster Front mit dabei, als es galt, die sogenannte Aufnahmefähigkeit der EU zu einer Bedingung für eine künftige Mitgliedschaft der Türkei zu machen.
"Warum mögen uns die Europäer nicht?" Diese Frage ist in der Türkei oft zu hören. Und die Reaktion darauf ist ebenfalls zu spüren. Zusammenfassen lässt sie sich in einem Satz: "Wenn ihr uns nicht wollt, dann wollen wir euch auch nicht." In manchen Umfragen ist mittlerweile nicht einmal jeder zweite Türke für einen EU-Beitritt seines Landes.
Dass sich das Desinteresse auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen auswirken könnte, wird von österreichischer Seite offiziell verneint. Die Wirtschaftskammer verweist auf steigende Zahlen. In den vergangenen sechs Jahren haben die österreichischen Exporte in die Türkei um 60 Prozent zugelegt, allein 2006 betrug der Anstieg mehr als 14 Prozent - auf knapp 850 Millionen Euro. Österreich ist in der Liste der Auslandsinvestoren bereits auf Platz fünf vorgerückt.
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Auf der anderen Seite stehen aber die Klagen türkischer Geschäftsleute. Sie ärgern sich vor allem über die Visa-Anforderungen. Während ein EU-Bürger sich bei seiner Ankunft auf einem türkischen Flughafen rasch einen Aufkleber mit Visum kaufen kann, ist es für einen türkischen Staatsbürger langwieriger, eine Einreisegenehmigung in die EU zu erhalten.
Er muss zu einer Botschaft in seinem Land gehen, einen Termin ausmachen, ein Ansuchen stellen, Dokumente - wie Bankkontoauszüge - bereitstellen oder den Nachweis einer geschäftlichen Tätigkeit im Ausland. Ob der Antrag angenommen wird oder nicht, erfährt er unter Umständen erst nach Wochen.
"Visa sind für die Entwicklung bilateraler Geschäfte ein Hindernis", stellt Ender Armagan fest. Ein anderer türkischer Unternehmer fasst es schärfer zusammen: "Es ist eine Schande." Er konnte einen Mitarbeiter nicht zu einem Treffen bei einer italienischen Partnerfirma - die er beliefert - schicken, weil der Mann kein Visum bekam.
Ebenfalls gibt es schon Berichte, dass manche Unternehmer Geschäfte in Deutschland statt in Österreich abschließen - nicht zuletzt deswegen, weil es leichter sei, ein Visum für Deutschland zu erhalten. Das gelte obendrein auch noch bis zu drei Jahre.
Keinesfalls einfacher hätten es Studenten, erzählt Armagan. Dabei hätten Absolventen des St. Georgs-Kolleg das Recht, in Österreich zu studieren. Doch so mancher von ihnen hat schon ein Semester verloren, weil er auf sein Visum warten musste.
Der türkische Kurator der - zusammen mit Österreichern organisierten - Ausstellung "Zeitreise in die Österreichisch-Türkische Vergangenheit" hätte es übrigens auch beinahe nicht zur Eröffnung in Wien geschafft. Er hatte Schwierigkeiten, eine Einreisegenehmigung zu erhalten.