Hält der Neoliberalismus Einzug in Österreichs Instituten für Wirtschaftsforschung?
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Nahezu gleichzeitig standen die Direktionspositionen der beiden mit Abstand größten österreichischen Institute für Wirtschafts- und Sozialforschung zur Besetzung an: beim auf ökonomische Forschung konzentrierten Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) und beim stärker auch mit sozialwissenschaftlicher Forschung befassten Institut für Höhere Studien (IHS). Der bisherige Wifo-Leiter Christoph Badelt wird Präsident des Fiskalrats, sein Nachfolger wird der gebürtige Österreicher Gabriel Felbermayr, Universitätsprofessor und bisheriger Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Beim IHS folgt dem ins Arbeitsministerium gewechselten Martin Kocher als designierter Direktor der gebürtige Deutsche Lars Feld, Professor an der Universität Freiburg und langjähriges Mitglied des Deutschen Sachverständigenrates, nach.
Dies hat in der österreichischen Öffentlichkeit sofort eine Diskussion ausgelöst, ob nun beide Institute zur Beute des Neoliberalismus würden - ein Begriff, der immer historisch falsch angewendet wird, aber seine guten Dienste leistet, um liberale Ökonomen von vornherein zu diskreditieren. Auch der vergangene IHS-Direktor und jetzige Arbeitsminister Kocher musste sich mit dieser Kritik auseinandersetzen.
Tatsächlich geht es bei den Anforderungen an Institutsleiter nicht um billige Etikettierungen wie "neoliberal" oder "staatsgläubig", sondern um einige grundlegende Kriterien:
Erstens sollten sie ausgewiesene Ökonomen sein. Um dies zu beurteilen, gibt es entsprechende akademische Funktionen und Publikationen in anerkannten, mit objektiven Beurteilungssystemen ("Peer-Reviews") arbeitenden Fachzeitschriften.
Zweitens bedarf es einer mittleren Grundpositionierung hinsichtlich der Rolle des Staates und der Märkte: Der Staat hat die Rahmenbedingungen zu setzen, damit die Märkte effizient funktionieren können, und er hat die notwendige soziale Absicherung sicherzustellen. Das lässt noch genug Raum für Meinungsunterschiede, schließt aber extreme Positionierungen aus, wie die Ablehnung staatlich verantworteter Sozialsysteme und effektiver Wettbewerbspolitik oder die Forderung nach weitgehenden Verstaatlichungsmaßnahmen und unbegrenzter monetärer Finanzierung von Staatsschulden.
Drittens ist von Institutsleitungen eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber der Europäischen Union und der wirtschaftlichen Globalisierung und der gleichzeitig notwendigen politisch-vertraglichen Einhegung dieser Globalisierung zu verlangen.
Viertens müssen sie ein modernes Investitionskonzept verfolgen, in dessen Zentrum nicht "Bricks And Mortar", sondern Bildung und Qualifikation, Wissenschaft und Innovation sowie soziale Mobilität stehen.
Fünftens müssen Persönlichkeiten an der Spitze von wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Think-Tanks national und international gut vernetzt sein und über besondere Kommunikationsfähigkeiten verfügen.
An diesen Kriterien gemessen, sollten wir uns über die Personalentscheidungen bei Wifo und IHS freuen.