Einer Russin droht eine saftige Gefängnisstrafe, weil sie die Ukraine vor einem Eindringen russischer Truppen gewarnt haben soll.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Manch ein Mensch telefoniert gerne, doch im Fall von Swetlana Davidowa war es wohl ein Anruf zuviel. Denn für diesen droht der Russin eine Strafe von bis zu 20 Jahren Gefängnis. Es war im April letzten Jahres, berichtet ihr Ehemann, als Davidowa auffiel, dass die Militärbasis unweit ihres Hauses in der Stadt Wjasma ungewöhnlich leer war. Als die 36-Jährige später mit dem Bus fuhr, bekam sie das Telefonat eines Soldaten mit. In diesem Gespräch erzählte er der Person am anderen Ende der Leitung, dass kleine Gruppen auf "Geschäftsreise" gingen - ein Ausdruck, der laut Experten im russischen Militärjargon für Truppenverschiebungen in die Ostukraine verwendet wird. Den Soldaten sei zudem noch gesagt worden, dass sie Zivilkleidung tragen müssten. Dies in Erfahrung gebracht, griff die siebenfache Mutter selbst zum Telefon. Sie rief in der ukrainischen Botschaft an und berichtete brühwarm, was sie soeben in Erfahrung gebracht hatte. Dies - versichert ihr Ehemann, der Abgeordneter der Partei "Gerechtes Russland" in der Staatsduma ist -, um mögliche Opfer zu vermeiden. Nachdem die Behörden davon Wind bekamen, wurde Davidowa Mitte Jänner festgenommen und zur Untersuchungshaft ins Hochsicherheitsgefängnis von Lefortowo in Moskau gebracht. (Dieses Gefängnis hatte Ende der 80er Jahre auch der Deutsche Mathias Rust frequentiert, nachdem er in der Sowjetära mit einem Kleinflugzeug auf dem Roten Platz gelandet war.) Der Vorwurf gegen Davidowa lautet auf Hochverrat. Die Sache hat nur einen Haken: Russland dementiert seit Jahr und Tag, Soldaten in die Ukraine geschickt zu haben. Sollte sie also verurteilt werden, so wäre dies mehr als nur ein indirektes Eingeständnis des militärischen Eingriffs im Nachbarland und würde somit die Vorwürfe von Nato und Co. gegen Russland bestätigen. Relativ schnell formierten sich Proteste gegen Davidowas Inhaftierung. Zigtausende Menschen haben eine Petition zur Freilassung Davidowas unterzeichnet, unter ihnen so prominente Personen wie der für den Oskar nominierte Regisseur Andrei Swjaginzew oder Natalia Solschenitzin, die Witwe von Nobelpreisträger Alexander Solschenitzin. Russlands Ombudsfrau für Menschenrechte, Ella Pamfilowa, argumentierte eine Freilassung damit, dass ihr zwei Monate altes Kind noch brustgefüttert werde und dieses lebenswichtige Bedürfnis während der haft nicht gestillt werden könne. Eher unerwartet wurde Davidowa am Dienstag tatsächlich freigelassen, mit der Auflage, die Stadt Wjasma nicht zu verlassen. Seither leben sie und ihre Familie in Ungewissheit, denn ob es tatsächlich zu einer Anklage kommen wird ist nicht geklärt. Und die Erfahrung im Gefängnis reicht ihr bereits. "Es ist als sei ich aus der Hölle zurückgekehrt." Ihr Anwalt ist allerdings überzeugt, dass das erst der Anfang ist.