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Ein hungriger und traumatisierter Start in die Republik

Von Paul Vécsei

Politik
Ein standfester Gewerkschafter: Adalbert Busta.
© Robert Newald

Der 92-jährige Zeitzeuge und frühere Spitzengewerkschafter Adalbert Busta erinnert sich an den Wiederaufbau.


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Wien. Adalbert Busta (Jahrgang 1923) ist schon am 1. Juni 1945 dem wenige Wochen zuvor gegründeten ÖGB beigetreten. An die letzten Kriegstage und die Aufbauzeit kann sich der rüstige Pensionist und langjährige Vorsitzende der Gewerkschaft persönlicher Dienst (1957 bis 1978) noch gut erinnern. Der Einmarsch der Russen in Wien bedeutete zunächst einmal für ihn und andere Hungrige ein Festmahl: Unmittelbar vor dem Wohnhaus Bustas in der Heiligenstädter Straße hauchte ein Soldatengaul sein Leben aus. Bustas Mutter machte sich sofort mit einem Küchenmesser bewaffnet über das tote Pferd her. Er selbst sammelte die Fleischteile "in einem Schaffel" und trug sie schnell nach Hause. "Es war das beste Gulasch meines Lebens", erinnert er sich noch heute. Solche Hungerzeiten prägen fürs Leben. Als schwer Kriegsversehrter war er zuvor vom Fronteinsatz zurückgekehrt. Er hatte sich als Freiwilliger gemeldet, um der Verfolgung durch die Nazis zu entgehen. Denn denen fiel er rasch auf: Busta muckte als Friseurlehrling gegen den Lehrherrn auf. Dann wollte er nicht zur Hitler-Jugend. Als diese auch die Schülermannschaft seines Fußballvereins Vienna übernahm, hörte der begabte Stürmer lieber mit dem geliebten Kicken auf.

Das Ausweichen an die Front endete mit der schweren Verletzung in einer riesigen Panzerschlacht bei Leningrad. Daraus resultierte zusätzlich ein jahrzehntelang andauerndes Trauma: "Ich habe jede Nacht das Gerassel der Kettenfahrzeuge gehört." Erst die Geburt seiner Tochter hat ihn 1959 davon geheilt. "Als ich sie einmal mit meinen Alpträumen weckte und sie weinen musste, war es schlagartig vorbei."

Hungrig und traumatisiert hat also 1945 Bustas Start in die Zweite Republik begonnen. "Das erste Zeichen einer österreichischen Verwaltung waren Männer mit Armbinden, welche die Schlangen vor den Versorgungseinrichtungen einwiesen. Das war die erste Polizei."

Die Gründung der Gewerkschaft "ist von den Illegalen in der Nazizeit ausgegangen. Der ganze Vorstand war voll damit." Von der Unabhängigkeitserklärung habe man erst ein paar Tage später im Radio gehört. Busta: "Das hat bei mir ein unbeschreibliches Glücksgefühl ausgelöst."

Busta arbeitet als Kriegsinvalider am Landesarbeitsamt und verhilft vielen Frauen zu Jobs und zu zusätzlichen Lebensmittelkarten. Sein Einsatz und "mein Mundwerk" ließen ihn erneut auffallen. Denn er war ein begabter Redner und sollte Betriebsrat werden. Sein Weg führte ihn nun über den ersten Lehrgang der Gewerkschaftsschule bis an die Spitze der Gewerkschaft persönlicher Dienst. Der gelernte Friseur wurde später auch noch Landtagsabgeordneter in Wien und Geschäftsführer der Wohnbaugenossenschaft Gesiba.

Seine größte Enttäuschung im ÖGB erlebte Busta durch den früheren Innenminister und Gewerkschaftschef Franz Olah. Dieser wurde wegen Veruntreuung aus dem ÖGB und der SPÖ ausgeschlossen. Busta war führendes Mitglied einer kleinen internen Untersuchungskommission, welche die Grundlagen dafür lieferte.

"Mein Lebensweg und meine Erfolge resultieren nur aus meiner Lebensanschauung", resümiert Busta heute. Gebe es den ÖGB nicht, müsse man ihn daher auch heute wieder gründen: "Angesichts der Arbeitswelt und der Situation der Jugendlichen ist Solidarität wichtiger denn je."