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Sparkurs stellt Zukunftsprojekte in Frage. | Kompetenzen zu stark aufgesplittet. | Topmanager mit Bahn, Post & Co unzufrieden. | Heute wird im Wiener Haus der Industrie der "Infrastruktur-Report 2011" der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Zum fünften Mal legt die Initiative "Future Business Austria" (FBA) einen fundierten, mit kritischen Anmerkungen gespickten Befund zur Lage der Nation vor. Auf 188 Seiten wird aufgelistet, warum und wie Österreich in den Bereichen Forschung, Verkehr, Informations- und Kommunikationstechnologien, Post sowie Energie besser werden muss. Und wo der Staat Gas geben und investieren sollte.
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So hielt Wirtschaftsforscher und IHS-Chef Bernhard Felderer vor Journalisten ein flammendes Plädoyer für Tunnelbauten - im Speziellen den umstrittenen Koralmstollen. "Wir haben letztes Jahr einen Rahmenplan für den Schienenausbau vorgelegt, wir können nicht jedes Jahr unsere auf Jahrzehnte ausgelegten Verkehrspläne ändern", sagte Felderer in Richtung der Koralm-Kritiker, zu denen auch Wifo-Chef Karl Aiginger zählt. Für die Verschiebung des Projektes zeigten sowohl Felderer als auch Roland-Berger-Experte Roland Falb Verständnis.
Nach dem Bekanntwerden des rot-schwarzen Sparpakets scheint es für Investitionen kaum Rückenwind zu geben. Herausgeber David Ungar-Klein hofft dennoch, dass der "Lackmus-Test für eine zukunftsfähige Infrastruktur" positiv ausfällt. Die Politik sollte nicht übersehen, dass derartige Aktivitäten "langfristig keine Belastung des Staatshaushalts sind, sondern Wachstumsimpulse bringen".
Der wichtigste Vorschlag lautet: Österreich muss bis 2013 eine Gesamtstrategie für Infrastruktur erarbeiten, in die Bund, Länder und Gemeinden einbezogen sind. Sie sollte "das Herzstück der künftigen Wettbewerbsfähigkeit" sein und zur Sicherung des Standorts dienen. Optimal wäre nach Schweizer Vorbild ein Planungshorizont bis 2030.
Im internationalen Vergleich schneidet die Republik gar nicht so mies ab: Laut "Global Competitiveness Report 2010-2011" des World Economic Forums, der die Republik puncto Konkurrenzfähigkeit an die 18. Position unter 139 Nationen reiht, rangieren wir in der Kategorie Infrastruktur an sechster Position - etwa hinter dem Sieger Schweiz, Frankreich und Island. Im Detail liegt aber der Teufel: bloß Platz 15 bei Schiene und Luftverkehr, lediglich die 18. Stelle bei Telefonverbindungen und gar nur Rang 48 bei der Hafeninfrastruktur. Ein klarer Nachholbedarf gegenüber Holländern, Dänen und Schweden besteht bei der Versorgung mit Breitband- und Internet-Anschlüssen.
Konjunkturpaket für Schiene und Straße
Die Bundesregierung war in jüngster Vergangenheit nicht ganz untätig: So hat das Wissenschaftsministerium eine Strategie für Forschung, Technologie und Innovation erarbeitet, obendrein wurde die "Energiestrategie Österreich" beschlossen, und im Rahmen der Konjunkturbelebungs-Pakete 2008 und 2009 gab es grünes Licht für vorgezogene Investitionen der ÖBB und der Asfinag, eine Offensive bei der Breitband-Technologie sowie bauliche Investitionen der BIG. Dabei handelte es sich um Neubau und Sanierung von Schulen, Universitäten und Justizgebäuden. Auf diesen Lorbeeren kann sich niemand ausruhen: Vizekanzler Josef Pröll hält "nachhaltige Investitionen für notwendig", Agrarminister Niki Berlakovich ortet weiteren "Handlungsbedarf".
Die aktuelle Kritik der heimischen Führungskräfte am Status quo fällt jedenfalls ziemlich harsch aus: 64 Prozent der 240 Befragten können laut einer Umfrage des Instituts Public Opinion Strategies "keine koordinierte Infrastrukturpolitik" erkennen - nur sieben Prozent tun das Gegenteil. Sogar 80 Prozent der Spitzenmanager schätzen die einschlägige Politik als "Stückwerk" ein.
Die Aufsplittung der Kompetenzen auf vier Ministerien - neben dem SPÖ-geführten Ressort von Doris Bures mischen auch die schwarzen Minister Pröll, Mitterlehner und Karl mit - halten vier von fünf Spitzenmanagern für "nicht sinnvoll". Es fehle, wird kritisiert, die erforderliche Planungssicherheit und langfristig stabile Rahmenbedingungen. Konkrete Vorschläge: eine Zentralstelle, ein eigener Staatssekretär sowie die Installierung einer Infrastruktur-Holding, die aus der heutigen ÖIAG hervorgehen könnte.
Ein großes Anliegen der Manager ist das "Ausschöpfen der Produktivitätspotenziale durch eine exzellente Infrastruktur". Allein 2009 sollen durch Versäumnisse bei der Infrastrukturpolitik 27 Milliarden Euro brach gelegen sein, so der FBA-Bericht. In den vergangenen fünf Jahren könnte sich der Wertschöpfungsverlust auf rund 125 Milliarden summiert haben, schätzen die Führungskräfte.
Großen Aufholbedarf gebe es beim Ausbau des Highspeed-Glasfasernetzes, weil Österreich beim Hochgeschwindigkeits-Breitband, das noch nicht einmal für zwei Prozent aller Haushalte ein Thema ist, so wie die meisten EU-Staaten längst den Anschluss etwa an die USA verloren hat. Obendrein wurde die Republik bereits von Nachbarn wie Slowakei und Slowenien abgehängt.
Anderes Beispiel: Forschung. Die drohende Kürzung der vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel bis 2014 wäre fatal, weil die technische Infrastruktur österreichischer Forschungseinrichtungen ohnedies "zu schwach", das Land für ausländische Forscher wenig attraktiv und die heimische Forschungslandschaft zersplittert sei.
AUA-Verkauf schwächt den Flughafen Wien
Im Bereich Verkehr sind ebenfalls massive Anstrengungen und Investitionen fällig: Es besteht die Gefahr, dass der Flughafen Wien nach dem Verkauf der AUA an die Lufthansa als Osteuropa-Hub an Bedeutung verliert und zum regionalen Airport "verkommt". Wenn Wien keine Drehscheibe im Luftverkehr bliebe, könnten nämlich, meint jeder zweite Teilnehmer der von Peter Hajek durchgeführten Umfrage, viele der mehr als 300 Headquarters internationaler Firmen abwandern. Gleichzeitig sollte die Donau als Verkehrsweg im Kontext der Chancen in Ost- und Südosteuropa endlich attraktiver werden.
Die Bahn müsse, heißt es im Bericht, nicht nur ihr Image- und Finanzdilemma rasch lösen, sondern sich verstärkt um den Güterverkehr kümmern. Umschlagterminals, die Verbindung zwischen Wien und Bratislava sowie die Südstrecke müssten ausgebaut werden. Die Rail Cargo wäre am besten zu privatisieren.
Auch die Post steuert dem Bericht zufolge auf kritische Zeiten zu: Das Unternehmen scheint für die anstehende Liberalisierung nicht ausreichend gerüstet, sodass der 51 Prozent-Anteil des Staates auf Dauer nicht zu halten sei. Die Politik sollte sich aus dem Tagesgeschäft raushalten, das Filialnetz verkleinert und das Personalproblem gelöst werden. Ein adaptiertes Postmarktgesetz, meinen die kritischen Beobachter, müsse künftig einen fairen Wettbewerb zwischen Post und privaten Mitbewerbern sicherstellen