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Ein Ja als gefühlte Niederlage

Von Alexander Dworzak

Politik

Das überraschend knappe Votum der SPD-Delegierten für Koalitionsverhandlungen legt die Unzufriedenheit der Basis offen.


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Bonn/Wien. Martin Schulz und die SPD-Spitze können nur auf den ersten Blick aufatmen. Den Sondierungen mit der konservativen Union folgen zwar Koalitionsverhandlungen. Das beschlossen die Delegierten beim Sonderparteitag am Sonntag in Bonn. Rückhalt für Schulz und die führenden Genossen sieht jedoch anders aus: Lediglich 362 der 642 Delegierten und Vorstandsmitglieder folgten dem Kurs, 279 stimmten gegen Koalitionsverhandlungen, eine Person enthielt sich.

Dabei warnte der SPD-Chef in seiner einstündigen Rede eindringlich vor den Folgen eines Nein. Die SPD könne "in der Opposition auch scheitern". Er verwies auf das schlechte Abschneiden anderer sozialdemokratischer Parteien quer durch Europa. Und forderte: "Die SPD muss und wird sichtbar, hörbar und erkennbar sein." Genau das wollen ihm seine Gegner nicht glauben, allen voran der Vorsitzende der Jungsozialisten, Kevin Kühnert: Schließlich sei die SPD in acht der vergangenen zwölf Jahre Juniorpartner einer CDU/CSU-geführten Regierung gewesen. Kühnert sieht "wesentliche Gemeinsamkeiten aufgebraucht".

Miglieder müssen Koalitionsvertrag zustimmen

Rückendeckung erhielt Schulz vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil, von Hamburgs Bürgermeister und SPD-Vize Olaf Scholz, Fraktionschefin Andrea Nahles und dem Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann. Klingende Namen, die auf der Gegenseite fehlen – abgesehen von Kühnert, der sich in den vergangenen drei Monaten vom Unbekannten zur Symbolfigur gegen die "GroKo" entwickelt hat. Dass das Ja dennoch so knapp ausfiel, legt die hohe Unzufriedenheit bei der Basis offen.

Deutschland – das für Reformen in der EU so dringend gebraucht wird – wartet somit noch unbestimmte Zeit auf eine nicht bloß kommissarisch amtierende Regierung. Denn Schwarz-Rot ist mit dem Votum vom Sonntag noch nicht fix. Schließlich muss der Koalitionsvertrag erst ausgehandelt werden und diesen müssen die mehr als 400.000 Mitglieder der SPD billigen. Die "GroKo"-Gegner werden nach dem für sie überraschend guten Ergebnis nun weiter Stimmung machen. Für den seit Monaten schwächelnden Parteichef Schulz bedeutet das Votum vom Sonntag eine weitere Erosion seiner Autorität.