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Ein Jahr Integrative Berufsausbildung -der "richtige Weg"?

Von Christine Zeiner

Wirtschaft

Sie ist ein "gewisser" Erfolg - mit Wermutstropfen. Arthur Baier, in der Arbeiterkammer (AK) für Lehrlings- und Jugendschutz zuständig, zieht Bilanz über knapp ein Jahr Integrative Berufsausbildung (IBA). Auf jeden Fall hätten die Jugendlichen mit der Bezeichnung "Teilqualifizierte Fachkraft" bzw. dem konventionellen Lehrabschluss nach verlängerter Ausbildungszeit größere Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden, als etwa in einer geschützten Werkstätte oder ganz ohne Ausbildung.


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"Viele Jugendliche hätten am Arbeitsmarkt keine Chance. Vielen geht mit 17 der Knopf auf. Wenn sie mit 15 nicht die Chance gehabt hätten, eine solche Lehre zu beginnen, wäre der Reifungsprozess nie aufzuholen gewesen", erklärt Baier. Die Idee der Integrativen Berufsausbildung stammt von den Sozialpartnern. Zwei Jahre wurde verhandelt, Wirtschafts- und Bildungsministerium haben den Entwurf als "Paragraf 8b" des Berufsausbildungsgesetzes festgeschrieben. Der Paragraf ist bis 31. Dezember 2008 in Kraft, bis 31. Dezember 2006 sollen die Auswirkungen evaluiert werden. "Das ist uns viel zu spät", stellt Baier fest. "Wir wollen sie in einem jährlichen Bericht überprüft wissen." Eine sogenannte Steuerungsgruppe - zusammengesetzt aus Vertretern des Arbeitsmarktservice (AMS), Interessensverbänden, ausbildenden Unternehmen und den Sozialpartnern - sollte die Aufgabe übernehmen. Ein Brief an das Wirtschaftsministerium, der diese Forderung enthält, ist laut Baier unbeantwortet geblieben - ebenso der Ruf nach Schulpflicht in der Teilqualifizierung, die nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Lehrberechtigter, Lehrling, Eltern und Berufsbildungsassistenz vereinbaren jeweils, ob die Berufsschule besucht werden darf, oder nicht. Die AK fordert ein Begleitlehrersystem und Integrationsklassen. Baier geht davon aus, dass diese für das Bildungsministerium zu teuer wären.

Es gehe nicht um Sparmaßnahmen, beteuert Ronald Zecha, Pressesprecher von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer gegenüber der "Wiener Zeitung". Es sei möglich, die Schule zu besuchen, erklärt er, fügt aber hinzu: "Das sind eben keine normalen Lehrlinge. Was tut so ein Jugendlicher beispielsweise im Kurs 'Buchhaltung'? Er versteht das nicht und macht eventuell Unruhe." Von Integrationsklassen in Berufsschulen, die es dem Lehrling ermöglichen, Teile des Stoffes gefördert zu erlernen, hält Zecha wenig: "Sinn der Integration ist ja, dass Kinder und Jugendliche lernen, miteinander umzugehen. Wenn sie das bis 15, 16 nicht gelernt haben, hat das keinen Sinn mehr."

Das Berufsförderungsinstitut (bfi) startete mit seiner IBA (verlängerte Lehrzeit) am 8. März 2004. Die 70 Jugendlichen lernen die Berufe Buchbinder, Tapezierer, Floristen, Maler, Maurer oder Trockenausbauer und werden Anfang September mit der Berufsschule beginnen. Das erste Schuljahr wird drei Semester dauern, die IBA-Lehrlinge werden unter sich sein. "'Normale' Lehrer werden unterrichten, die sich zwar sehr engagieren, sich dem aber zum Teil nicht ganz gewachsen fühlen", meint Michael Höflinger, Leiter der IBA des bfi und diplomierter Sozialarbeiter. Im zweiten und dritten Jahr soll es Integrationsklassen geben. "Die IBA ist ein sehr wichtiger Schritt eines Versuches, die Zielgruppe in den Arbeitsmarkt zu integrieren", sagt Höflinger. Sein Begriff von "integrativ" sei allerdings weitergefasst, als "'schwierige' Jugendliche auszubilden".

Die IBA des bfi simuliert Betriebe. "Was uns fehlt, ist der betriebliche Alltag, der Stress und Druck", ergänzt Höflinger. Neben den Ausbildnern, die "die Lehrlinge oft mit Samthandschuhen anfassen" und der Berufsbildungsassistenz, kümmern sich Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter um die Jugendlichen, von denen viele in der Familie Gewalt erfahren, die sich allein durchs Leben schlagen oder, die krank sind.

Was könnte besser laufen?

"Aus meiner Sicht werden Aufträge sehr kurzfristig vergeben. Überstürzt heißt es: Wir brauchen so und so viele Plätze. Dabei müsste das doch abschätzbarer sein", meint Höflinger. Baier wünscht sich mehr Engagement der Wirtschaft: "Manche Betriebe zeigen Sozialkompetenz, aber es ist viel Bewusstseinsarbeit notwendig - eine mühsame Arbeit." Jene Unternehmen, die eine IBA anbieten, erhalten zusätzlich zur Lehrlingsausbildungsprämie eine Förderung vom AMS, jene, die einen IBA-Absolventen beschäftigen, Zuschüsse. Raphael Draschtak, Pressesprecher von Arbeitsminister Martin Bartenstein, ist optimistisch: "Sehr viele Firmen wollen soziale Verantwortung zeigen und stellen benachteiligte Menschen an. Man kann davon ausgehen, dass IBA-Absolventen eine Chance im Berufsleben haben." n