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Ein Jahr KMU-Segment an der Wiener Börse: Erfolg oder Fehlstart?

Von Philip Rosenauer

Recht

Im innereuropäischen Vergleich war die Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen jedenfalls erforderlich.


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Die Erwartungen an die KMU-Segmente der Wiener Börse - direct market und direct market plus - waren hoch. Sie sollten kleinen und mittleren Unternehmen den Einstieg an die Börse und somit vor allem die Handelbarkeit der Anteile erleichtern. Aber was ist das Fazit zum ersten Geburtstag? Ein erster Rückblick auf die Erfolgsgeschichte des KMU-Wachstumssegments.

Im innereuropäischen Vergleich war die Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Schaffung eines KMU-Wachstumssegments jedenfalls erforderlich, um mit den Börseplätzen in insbesondere Deutschland, Großbritannien und den skandinavischen Ländern Schritt zu halten. Gleich zur Öffnung des direct market plus am 21. Jänner 2019 läutete die Börseglocke erstmals für vier prominente Erstnotierungen: startup300 AG, VST Building Technologies AG, Wolftank-Adisa Holding AG und Eyemaxx Real Estate AG.

Dieser gelungene Auftakt bestätigt, dass die Etablierung eines KMU-Wachstumssegments an der Wiener Börse der richtige Schritt zur Förderung der Attraktivität des österreichischen Kapitalmarkts war. Heute, ein Jahr später, kann für diese vier Unternehmen auf positive Unternehmensdaten zurückgeblickt werden.

Entscheidend für die Erfolgsgeschichte eines jungen Unternehmens ist vor allem die Innovationskraft beziehungsweise das relative Alleinstellungsmerkmal des Produkts oder der Dienstleistung des Unternehmens sowie die Professionalität der Entscheidungsträger. Dies trifft nicht nur auf Start-Ups, sondern auch auf etablierte Traditionsunternehmen zu. Ein Börsegang bietet KMUs die Möglichkeit zur Internationalisierung aufgrund erhöhter Visibilität und gewährleistet für deren Aktionäre eine flexiblere Handelbarkeit der Aktien zu einem transparenten Marktpreis. Auf diese Weise können somit vereinfacht Nachfolgeregelungen getroffen werden.

Nachbesserungenfür mehr Attraktivität

Als weiterer Vorteil ist der Zugang zu frischem Kapital für die Finanzierung innovationsträchtiger Projekte, der vor allem in Form einer Kapitalerhöhung auch zur Stärkung des Eigenkapitals und somit zu einer solideren Kapitalstruktur des Unternehmens führt. 2019 hat unter anderem startup300 von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und eine Kapitalerhöhung erfolgreich umgesetzt. Aber das sind nicht die einzigen Vorteile für Newcomer an der Wiener Börse.

Das KMU-Wachstumssegment ist, neben dem EU-regulierten amtlichen Handel, ein von der Wiener Börse selbst regulierter Markt, der seit Mitte 2019 als "Vienna Multilateral Trading Facility" (kurz: Vienna MTF) bezeichnet wird. Durch eine heuer vorgenommene Klarstellung im Regelwerk des direct market plus wurde konkretisiert, dass die Aufnahme in dieses Marktsegment eine Mindestkapitalisierung von zehn Millionen Euro bei einem Streubesitz von mindestens 20 verschiedenen Aktionären voraussetzt. Zudem wurden die erforderlichen Angaben zur Unternehmensdarstellung auf die Webseite der Wiener Börse integriert.

Als weitere Informationspflichten wurden die Offenlegung des Informationsmemorandums auf der Website des Unternehmens für ein Jahr ab Börsezulassung und die laufende jährliche Berichterstattung insbesondere zur Geschäftslage und Unternehmensentwicklung im "Börse-Interview" aufgenommen. Im Wesentlichen dienen diese Maßnahmen zur erhöhten Transparenz gegenüber Aktionären und bieten über das audiovisuelle "Börse-Interview" auch eine persönliche Kommunikation mit sämtlichen Marktteilnehmern sowie verstärke Visibilität für das professionelle Management.

Zur Erfüllung sämtlicher Reporting- und Transparenzverpflichtungen bleiben Emittenten im direct market plus weiterhin verpflichtet, einen Capital Market Coach für das erste Jahr des Listings zu engagieren, um dadurch kapitalmarktrechtliche Compliance der Emittenten sicherzustellen.

Positive Signale zur weiteren Stärkung des Kapitalmarktes

Die überaus positive Listing-Bilanz des KMU-Wachstumssegments aus 2019 durch Erstnotierungen nationaler und ausländischer Unternehmen ist ein Erfolg. Auch die aus Sicht von Emittenten und Aktionären vorteilhaften Publizitätsmaßnahmen der Wiener Börse sowie die geplanten Maßnahmen der neuen Bundesregierung zur steuerlichen Begünstigung von Investitionen in innovative Start-Ups und KMUs (Regierungsprogrammpunkt "Innovation durch Risikokapital ermöglichen") sind insgesamt durchwegs vorteilhafte Signale zur weiteren Stärkung des österreichischen Kapitalmarktes.

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