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Ein Jahr nach dem Wahldesaster - Die SPD sucht immer noch sich selbst

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Nur gut sieben Stunden sind für den Außerordentlichen Parteitag der SPD am Sonntag angesetzt. Viel Raum für inhaltliche Debatten bleibt da nicht. Es soll denn auch ein "Arbeitsparteitag" werden, kündigte Generalsekretärin Andrea Nahles an. Wegweisende Weichenstellungen soll es erst im nächsten Jahr geben.


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Dabei hätten die deutschen Sozialdemokraten schon jetzt einigen Diskussionsbedarf. Zwar hat Parteichef Sigmar Gabriel die innerparteiliche rechte Opposition mit einem Kompromiss zur Rente mit 67 vorläufig ruhiggestellt. Zuletzt hatte aber die Debatte um den angestrebten Ausschluss des SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin die Gemüter erhitzt. Viele Parteimitglieder konnten sich mit den umstrittenen Thesen des Bundesbankvorstands, der bei Zuwanderern Integrationsunwilligkeit konstatierte, durchaus anfreunden. Jetzt darf auf dem Parteitag Heinz Buschkowsky, gerne polternder Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, zu Integration reden.

Noch beunruhigender müsste sein, dass die SPD von der permanenten Schwäche der schwarz-gelben Regierung nicht wirklich profitieren kann. Zuletzt hatte eine Forsa-Umfrage die Grünen schon gleichauf mit der SPD bei 24 Prozent gesehen. Andere Umfragen sehen die Sozialdemokraten hingegen weiter vorne, bei rund 30 Prozent. Das lässt den Geschäftsführer der Parlamentsfraktion Thomas Oppermann jubeln, lag man doch bei der Wahl vor einem Jahr bei desaströsen 23 Prozent. Auf die Frage, warum die Grünen noch stärker von der Regierungsschwäche profitieren als die eigenen Partei, reagiert er aber hilflos. Man freue sich auch über die Erfolge der Grünen, denn damit ergebe sich insgesamt eine rot-grüne Mehrheit.

Als eine der Ursachen für den unterschiedlich starken Aufschwung der beiden Oppositionsparteien orten Beobachter die aktuelle Debatte um die verlängerten AKW-Laufzeiten. Geht es um Anti-Atom-Politik, läuft der Wähler lieber gleich zum grünen Schmied als zum roten Schmiedl.

Eine weitere Antwort findet der Parteienforscher Joachim Raschke. Die SPD sei noch immer mit der Aufarbeitung ihrer jüngsten Vergangenheit beschäftigt, die Grünen seien da weiter. Außerdem stünden deren Führungsleute für Zuverlässigkeit, während man bei der SPD nicht einmal wisse, ob Gabriel bei der nächsten Bundestagswahl als Spitzenkandidat antreten werde. Tatsächlich ist noch nicht entscheiden, ob der Schulterschluss von Gabriel mit dem nach seiner Nierenspende noch rekonvaleszenten Frank-Walter Steinmeier von Dauer ist. Nahles beruhigt unterdessen sich und die Anhängerschaft: Man sei noch mittendrin im Erneuerungsprozess der Partei.

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