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Viele Perser hofften auf eine innenpolitische Öffnung - doch Irans Hardliner bremsen die Reformen aus.
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Teheran/Wien. Die Bilder von fliederfarbenen Transparenten, Blumen und Plakaten, die Teherans Straßen im Juni 2013 nach dem überraschenden Wahlsieg des moderaten, immer lächelnden Klerikers Hassan Rohani säumten, sind noch gut in Erinnerung.
Mit der frühlingshaften Wahlkampffarbe wollte er auch im Iran einen neuen Frühling einläuten. Mit Versprechungen wie einer Öffnung nach innen und nach außen, einer Bürgerrechtscharta, einer Lockerung der Zensur und einem Wirtschaftsaufschwung sorgte der "Scheich der Hoffnung", wie ihn seine Fans nennen, für Euphorie bei vielen jungen und sonst politikverdrossener Perser.
Ein Jahr später macht sich Ernüchterung breit. Seine Anhänger fordern vom siebenten Präsidenten des Iran endlich Taten. Brand- und Problemherde gibt es genug: Die Islamische Republik hat aufgrund der westlichen Wirtschaftssanktionen im Zusammenhang mit dem Atomstreit die schwierigsten drei Jahre seit ihrer Gründung 1979 hinter sich. Neben den US-Sanktionen schmerzt das Öl- und Gasembargo der EU.
"Wissen Sie, er meint es ja gut. Aber es reicht nicht aus, dass man sich durch die Welt lächelt. Was wir wirklich brauchen, sind eine sichtbare Reduktion der Arbeitslosigkeit und der Inflation, sowie ein Machtwort bezüglich der unerträglichen Zensurmaßnahmen. Momentan ist die Bilanz außen top und innen Flop", sagt der 23-jährige Student Vahab aus Teheran zur "Wiener Zeitung". Viele junge Perser denken ähnlich wie er. Ein sehr schlechtes Zeugnis stellt Rohani auch die Organisation "Reporter ohne Grenzen" aus. "Seine Bilanz ist niederschmetternd. Seit einem Jahr gibt es nichts als Lippenbekenntnisse", heißt es in einem Statement der Gruppe. Die UN-Menschenrechtsbehörde schlägt in dieselbe Kerbe und kritisiert, dass es 2014 bereits über 220 Hinrichtungen im Gottesstaat gab.
Der Großteil der Bevölkerung befürchtet, dass sich Rohani als ein "zweiter Khatami" (der als moderater Reformpräsident von 1997-2005 amtierte) entpuppen könnte. Dieser hatte der Bevölkerung ebenfalls Freiheiten versprochen, scheiterte aber letztlich am heftigen Widerstand der Hardliner und Ultrakonservativen. Rohani entgegnet seinen Kritikern, dass er Geduld und Zeit einfordere, denn es dauere eben, "die Trümmer der achtjährigen Amtszeit meines Vorgängers Mahmoud Ahmadinejad zu beseitigen".
"Er muss alle zufriedenstellen"
Azadeh, eine Sprachstudentin aus Mashad, zeigt Verständnis für Rohahi. "Ich möchte nicht mit ihm tauschen. Er muss alle zufriedenstellen und die Hardliner wachen wie die Adler über ihn und warten nur darauf, dass er den ersten schweren Fehler macht", meint sie. Veränderungen seien dennoch notwendig. "Jetzt ist die Zeit genau richtig. Rohani hat gute Verbindungen zu allen Obrigkeiten im Land. Er sollte zu Ayatollah Khamenei (Oberster Geistlicher Führer, Anm.) gehen und noch mehr Unterstützung einfordern", erklärt sie.
Die Mehrheit der Perser glaubt aber weiterhin nicht an großartige Veränderungen, hält Rohani aber zumindest für fähig, gewisse Schäden der vergangenen Jahre zu reparieren. Letztere Einschätzung teilt auch ein Großteil des Westens.
Der geschickte Diplomat hat es zumindest geschafft, das ramponierte Bild des Iran auf dem internationalen Parkett zu korrigieren. Kein Schnaufen und keine verdrehten Augen mehr in westlichen Diplomatenkreisen, wenn das Wort Iran fällt. Sogar die "Erzfeinde" USA und Großbritannien begrüßen die Charmeoffensive des 65-jährigen Klerikers. Ein Resultat ist die Wiederaufnahme von direkten Gesprächen mit den USA und das am 24. November abgeschlossene Atom-Zwischenabkommen. Eine Lösung im Nuklearstreit lässt dennoch auf sich warten und wurde mit der Verlängerung der Frist bis 24. November vertagt. An ihr hängt aber die politische Zukunft Rohanis. Sollte Rohani keine Einigung mit der internationalen Staatengemeinschaft zustande bringen, dann zerfleischen ihn die Hardliner in der Heimat. Für einen Erfolg bräuchte Rohani eine gänzliche Suspendierung der Sanktionen - die ist aber weit schwieriger zu bewerkstelligen als der Interims-Deal.
Mehr politische Gefangene
Innenpolitisch weht ihm ein rauer Wind entgegen. Die Zahl der politischen Gefangenen und restriktiven Maßnahmen hat sich seit seinem Amtsantritt vervielfacht, unter Hausarrest stehende Politiker wie die beiden Oppositionschefs Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi warten noch immer auf ihre Freilassung. Die nächste Herausforderung wartet auch schon: Bei den Parlamentswahlen 2015 werden die Konservativen alle Hebel in Bewegung setzen, um ihre Mehrheit im Parlament als Druckmittel gegen den Präsidenten zu behalten. Letztlich muss Rohani den Einfluss der Revolutionsgarden auf die Politik eindämmen, um seine Ziele wie die Lockerung der Zensur umsetzen zu können. Ein Lächeln allein wird nicht reichen.