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Ein Jahreszeugnis für die Manager

Von Michael Krichel

Wirtschaft
Bilanzen sind mehr als bloße Zahlenspielereien. Vorausgesetzt, man versteht, worum es geht. Foto: illuscope

Bilanz warnt vor Zahlungsunfähigkeit. | Manager haften für schlechte Zahlen. | Wien. Nach einem abgelaufenen Wirtschaftsjahr interessiert es jeden Unternehmer, wie sich sein Betrieb am Markt präsentiert hat. Als wesentliche Grundlage dient dazu sowohl die Bilanz als auch die Gewinn- und Verlustrechnung. Beide bilden zusammen den Jahresabschluss. Während die Bilanz die Vermögenswerte (Anlage- und Umlaufvermögen), das Eigenkapital und das Fremdkapital zeigt, präsentiert die Gewinn- und Verlustrechnung den Jahresgewinn und -verlust.


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Mit einer Bilanzanalyse kann man die notwendigen Kennzahlen ermitteln, die dem Management aufschlussreiche Informationen über die Lage des Unternehmens liefern. Wie sich in der Praxis oft zeigt, geht es vor allem um Liquidität und Eigenkapitalausstattung. Dass es sich ausgerechnet um diese Bereiche handelt, ist kein Zufall, da im Falle von Insolvenzen die Fragen über den Zeitpunkt des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung von zentraler Bedeutung sind. Eine regelmäßige Bilanzanalyse gilt somit auch als Vorsorgemaßnahme, da das Zahlenmaterial einen gewissen Trend darstellt. Welche Kennzahlen sind nun am Besten geeignet um festzustellen, ob es dem Unternehmen gut geht oder ob sich eine Krise anbahnt?

Liquidität prüfen

Im Zusammenhang mit der Liquidität ist das Betriebskapital (Working Capital) zu nennen. Darunter versteht man die Differenz zwischen kurzfristigem Umlaufvermögen (wie Handelswaren oder Forderungen, die innerhalb eines Jahres umgesetzt werden) und dem kurzfristigen Fremdkapital (Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und aus Lieferung und Leistungen, die innerhalb eines Jahres fällig sind). Solange die Differenz positiv ist, kann das Unternehmen die laufenden Ausgaben bezahlen. Kommt es regelmäßig zu negativen Differenzen, ist die Liquidität gefährdet.

Auch die Geldflussrechnung (Cash Flow), die die Veränderung der liquiden Mittel (Kassa, Bankguthaben) im Vergleich zum Vorjahr darstellt, liefert Informationen darüber, wofür das Geld verwendet wurde. Der Cash Flow zeigt an, was dem Unternehmen aus eigener, operativer Tätigkeit (im Gegensatz etwa zu Zinseinnahmen aus Bankguthaben) zur Rückzahlung von Schulden oder für Investitionen in der abgelaufenen Periode zugeflossen ist. Laufende negative Veränderungen (es also flossen mehr liquide Mittel ab als zu) führen in der Regel dazu, dass Fremdmittel (Kredite) notwendig werden, um das Unternehmen zu finanzieren.

Die Summe des Eigenkapitals im Verhältnis zum Gesamtkapital soll mindestens acht Prozent (Mindestanforderung laut Unternehmensreorganisationsgesetz, URG) betragen. Als Orientierung gilt die so genannte goldene Bilanzregel. Sie besagt - vereinfacht ausgedrückt -, dass das Eigenkapital das Anlagevermögen abdecken sollte. Allerdings ist diese Voraussetzung in der Praxis selten gegeben. Zum überwiegenden Teil liegt das Eigenkapital unter dem Wert des Anlagenvermögens.

Acht-Prozent-Marke

Wichtig ist daneben die fiktive Schuldentilgungsdauer. Setzt man den Cash Flow in ein Verhältnis zum Fremdkapital (Rückstellungen für Abfertigungen, Urlaubsgelder, sämtliche Verbindlichkeiten) erhält man eine Kennzahl, die angibt, innerhalb welcher Zeit das Unternehmen bei gleichbleibender Erfolgsstruktur und Vernachlässigung aller Investitionen in der Lage wäre, seine Schulden zu tilgen. Der Richtwert beträgt 15 Jahre. Sollte also das Unternehmen nicht in der Lage sein, innerhalb dieser Zeit sämtliche Verbindlichkeiten zu begleichen und beläuft sich das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Gesamtkapital (Summe aus Eigen- und Fremdkapital) unter acht Prozent, muss das Unternehmen - im Sinne des URG - Maßnahmen treffen, um diese Werte zu erreichen. Das URG wird in der Praxis allerdings oft als totes Gesetz bezeichnet. Erst im Falle von Insolvenzen gewinnt es an Bedeutung, da die Geschäftsführung bis zu einem Betrag von 100.000 Euro haftet, wenn vor dem Konkurs keine Maßnahmen zur Erreichung der URG-Werte getroffen wurden.

Vergleich mit Branche

Der volle Informationsgehalt der Kennzahlen entfaltet sich aber jedenfalls erst dann, wenn diese im Vergleich zur Konkurrenz der jeweiligen Branche gestellt werden.

Michael Krichel ist Eigentümer der MK Consulting und kooperiert mit Lehner&Partner SteuerberatungsgmbH, Baden.